Ausgabe 06 - 2004 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Musik für die Massen:
Glamourpunkte

Letztes Jahr gründete sich das Berliner Label Pale Music und machte mit dem Sampler Berlin Insane (s. scheinschlag 1/04) und der Wortschöpfung „Future Rock'n'Roll" auf sich aufmerksam. Inwieweit das nur ein schöner Hype war, blieb zunächst unklar. Einer der Künstler, der auf Berlin Insane zu hören ist, ist Namosh. Der hat nun ein eigenes Album nachgelegt, und das ist: großartig! Namosh verquirlt Electro mit Punkrock, Dancefloor mit Hörspieleinsprengseln. Kurios an der Mischung ist, daß dabei eigentlich ein stressiger und kratzbürstiger Sound herauskommen müßte. Aber ohne glatt zu sein, wirken die Songs perfekt, lustvoll und stilsicher. Vor allem live erweist Namosh sich als bessere Alternative zu allen Energy-Mix-Getränken, denn er kickt nicht nur besser – er macht auch ein wenig high. Eine schicke Ausnahmeerscheinung.

Mit Glamourpunkten bei Live-Auftritten schmeißen auch Queen Of Japan wild um sich. Das Trio gibt sich als perfekt getrimmten Glamrock-Pseudo-Japan-Kult aus. Nicht unwesentlich an dieser Inszenierung beteiligt war eine unwiderstehliche Cover-Version des Kiss-Klassikers „I was made for lovin' you". Auf Foreign Politics (Echokammer) findet sich keine Coverversion mehr, diesmal ist alles komplett selbst komponiert. Zwar funkelt und glitzert es auch diesmal aus ihrem Konglomerat aus Synthie-Pop und Plastik-Gitarren-Riffs, aber ganz so glamourös wie auf dem Vorgängeralbum geht es hier nicht mehr zu. In den besten Momenten ist es dann so, als beträte man einen Second-Hand-Platten-Laden, in dem gerade ein Sampler mit Achtziger-Avantgarde-Pop läuft. Ganz hübsch, aber nicht überraschend.

Was die Inszenierung betrifft, verfolgen Dat Politics einen ähnlichen Ansatz. Das französische Trio inszeniert sich zwischen Kunst und Trash. Veröffentlicht haben sie ihr neues Album Go Pets Go! passenderweise auf dem Label der gleichfalls grenzgängerischen Chicks On Speed. Beim Hören von Go Pets Go! kann man sich nicht sicher sein, ob man sich gerade in einem Best Of der skurrilsten Klingeltöne oder im Inneren eines sich verselbständigt habenden Systems dadaistischer Musik-Programme befindet. Das Tolle ist, daß sich aus dem scheinbar unzusammenhängenden Sammelsurium immer wieder eine Struktur herausbildet – ja sogar richtig groovige Tracks entstehen. Im Vergleich zu vielen anderen Spielzeug-Elektronik-Bands kommen Dat Politics absolut unverbraucht und originell daher. Auch ohne Glamour ein Volltreffer.

Marcus Peter

 
 
 
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