Ausgabe 06 - 2004 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Berlin 1904

1. Juli bis 25. August

Der Verbandstag deutscher Klempner-Innungen wird in Berlin abgehalten. Die Tagesordung umfaßt eine Reihe von Anträgen des Geschäftsführenden Ausschusses, des Vorstandes und einzelner Innungen. Sie betreffen die Berufsgenossenschaft für Klempner, Installateure usw., die Herbeiführung eines Gesetzes betreffend die Sicherung der Bauforderung, die Einführung von Arbeitsbüchern für alle innerhalb des Verbandes beschäftigten Klempnergesellen, den Detailhandel des Grossisten, die Organisation der Arbeitgeber zur Unterstützung bei Streiks, den Erlaß einer Bauvorschrift seitens des Reichsversicherungsamtes zum Schutze der beim Bau tätigen Dachdecker bzw. Klempner.

Klempner, auch Flaschner, Spengler oder Blechschmiede genannt, sind ganz allgemein Handwerker, die Blechwaren herstellen; sie waren früher zünftig, mußten drei bis vier Jahre lernen, drei Jahre wandern und als Meisterstück eine Lampe und eine Laterne herstellen. Durch die Erfindung der Blechbearbeitungsmaschinen hat die Klempnerei eine große Umwandlung erfahren. Sie wird jetzt meist fabrikmäßig betrieben, und es haben sich mehrere Sonderzweige wie Bauklempnerei, Erzeugung von Warenumhüllungen, Spielwaren, Lampenfabrikation usw. herausgebildet. Zur Förderung der Klempnerei sind Blecharbeiterschulen gegründet worden. Als Literatur zum Thema sind Schröders Klempnerschule (3. Aufl., Weimar 1895), Drehers Katechismus der Klempnerei (Leipzig 1902, 2 Tle.) und Winters Der praktische Klempner (Berlin 1903) zu empfehlen. Weiterführendes Wissen vermittelt die Deutsche Klempner-Zeitung (Berlin, seit 1881), Voran (früher Flaschnerzeitung, Kannstadt, seit 1894) und die Berliner Klempner-Zeitung (seit 1901).

Unter Blech versteht man durch Hämmern oder Walzen erzeugte dünne Metallplatten: Gold-, Silber-,Neusilber- (Argentan-), Kupfer-, Messing-, Blei-, Zink, Stahl- und Eisenblech (Schwarzblech, verzinnt als Weißblech, verzinkt als galvanisiertes Blech).

Die Blecharbeiterschule in Aue im sächsischen Erzgebirge wurde 1877 vom Verein zur Errichtung und Erhaltung einer deutschen Fachschule für Blecharbeiter errichtet und wird von einem vom Vorstande des Vereins gewählten Kuratorium geleitet. Die Schule nimmt Schüler nach erreichtem 16. Lebensjahr, Absolvierung einer Volksschule und mindestens zweijähriger praktischer Lehre als Klempner auf. Der Unterricht ist theoretisch und praktisch, der Lehrplan auf drei halbjährige Kurse verteilt, neben denen noch ein achtwöchiger Kursus im Metalldrücken besteht.

Die Blechverarbeitung zur Erzeugung von Blechwaren aller Art aus Weiß-, Messing-, Kupfer-, Zink- usw. blech erfolgt in den Werkstätten des Klempners oder immer mehr in Fabriken nach dem Prinzip der Massenproduktion. Stets beginnt sie mit dem Zerschneiden der Blechtafeln auf Blechscheren oder für kleine Gegenstände auf Durchschnitten, häufig in Verbindung mit Lochen auf Lochmaschinen zur Herstellung von zierlichen Durchbrechungen an Gesimsen, Lampenteilen und ähnlichem. Dann folgt die Formgebung mit Hilfe zahlreicher Handwerkszeuge (hauptsächlich mit amboßähnlichen Stöcken und zahlreichen unterschiedlich gestalteten Hämmern) durch Ausbeuten, Treiben, Schweifen, Bördeln (siehe Abbildung), Biegen, auf der Drehbank durch Drücken, neuerdings fast ausschließlich unter Mitbenutzung von Blechverarbeitungsmaschinen, da diese infolge ihrer vorzüglichen Ausbildung nicht nur schneller und leichter, sondern auch vollkommener arbeiten.

Die dritte Arbeit umfaßt die Verbindung einzelner Teile durch Falzen, Nieten, Löten, der zuletzt das Anstreichen, Bemalen, Lackieren folgt. Blechbearbeitungsmaschinen wurden im 19. Jahrhundert größtenteils in Amerika erfunden, fanden bald aber auch in Deutschland Eingang, wo sie jetzt in vorzüglicher Güte gebaut werden. Kircheis in Aue paßte sie den deutschen Verhältnissen an und ersann viele neue Konstruktionen. Empfohlen sei noch Kallenbergs Projektionslehre für den Blecharbeiter (Schneeberg 1902f., 2 Bde.).

Falko Hennig

Die Bördelmaschine zum Umbiegen (Bördeln) von Rändern oder Profilieren von Blechstreifen besteht aus zwei freistehenden, entsprechend profilierten Walzen oder Scheiben, die, in Drehung versetzt, das Blech fassen und während des Durchlaufens formen.

Bördelmaschine: Archiv Falko Hennig

 
 
 
Ausgabe 06 - 2004 © scheinschlag 2004