Ausgabe 06 - 2004 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Vom Schwein

Schweine sind sympathische Tiere. Und es geht nichts über einen ordentlichen Schweinsbraten.

Einigermaßen widersprüchlich ist die Symbolgeschichte des Schweins: Müssen die Tiere in unseren Breiten noch immer vor allem als Sinnbild der Unreinheit herhalten, war das Schwein in alten Kulturen ein Symbol für Fruchtbarkeit und Wohlstand. Die Kelten kannten eine Schweinegöttin, bei den Griechen diente das Schwein als Opfertier für die Göttin Demeter – im Gegensatz zum Judentum und zum Islam, wo Schweine als unrein geächtet sind und auch nicht verzehrt werden dürfen. Die Position des christlichen Abendlandes ist da ambivalent, akzeptiert das Schwein als Nahrung und belegt es doch gleichzeitig mit negativen Assoziationen. Mit dem Schimpfwort „Schwein" bezichtigt man jemanden der Unreinlichkeit oder -ordentlichkeit, während „Schwein zu haben" doch unbedingt wünschenswert ist. Die Traumdeutung begreift das Tier ebenfalls als Glückssymbol, und wer in einer Kontaktanzeige nach Schweinen sucht, wünscht sich experimentierfreudige Sexualpartner. Die Chinesen wollen von im Jahr des Schweins Geborenen wissen: „Das Schwein ist gutmütig, und das kann bewirken, daß es oft von seiner Umgebung ausgenutzt wird. Es ist liebenswürdig, romantisch, wissensdurstig, ehrlich und als Freund oder Partner begehrt. Hinter seiner sanften Erscheinung verbirgt sich ein starker Wille. Es ist ehrgeizig und hat innere Kraft. Das Schwein liebt die Wahrheit und ist friedliebend. Als Gastgeber ist das Schwein nicht zu übertreffen."

Die gängigen Vorurteile über Schweine sind schlicht falsch. Schweine sind nicht dreckig, sondern wälzen sich nur aus hygienischen Gründen im Schlamm. Denn sie haben keine Schweißdrüsen und können sich nur so Abkühlung verschaffen. Sonst müßten sie so doof hecheln wie Hunde. Das lassen sie sympathischerweise lieber sein und spülen so nebenbei noch Parasiten ab. Und fett wird ein Schwein auch nur, wenn es überfüttert wird. Wenn man sie läßt, fressen die Tiere nämlich den ganzen Tag und beinahe alles, das ist ihre Schwäche, vor der Züchter warnen, denn um Nahrung betteln Schweine immer, so vollgefressen können sie gar nicht sein. Dumm sind Schweine aber schon gar nicht. Sie haben nicht nur ein ausgezeichnetes Gedächtnis, sie lernen auch drei mal so schnell wie Hunde, denen sie an Treue und Anhänglichkeit in nichts nachstehen.

Überhaupt sind Schweine die besseren Hunde. Neue Züchtungen, sogenannte Minischweine oder mini-pigs, könnten diese garstig kläffenden, gefährlich-bissigen Viecher endlich, gerade auch in der Stadt ersetzen: Sie tun niemandem etwas zuleide, und ihr freundliches Grunzen ist keine Lärmbelästigung und verbreitet keine Aggressivität. Und die besseren Rinder sind Schweine sowieso, wie wir seit den BSE-Skandalen der letzten Jahre wissen.

Mehr als 8000 Jahre lebt der Mensch jetzt mit dem Hausschwein zusammen. „Aber seit einigen Jahrzehnten", so der bayerische Kabarettist Gerhard Polt, „ist das Verhältnis gestört, weil der Mensch das einzelne Schwein nicht mehr kennt." Das wirkt sich auch auf das Verhältnis zum Schweinsbraten aus, diesem klassischen bayerischen Kulturgut. „Wenn man sich auf einen Schweinsbraten einläßt, darf man nicht hektisch sein oder unkonzentriert", weiß Polt und geht sogar so weit, Politiker nach ihrem Verhältnis zum Schweinsbraten zu bewerten: „Ich würde, wenn ich einen Wahlkampf führen müßte, meine Spitzenpolitiker nur einen Schweinsbraten essen lassen, drei Minuten lang, und dann beobachten, wie sie den Schweinsbraten essen. Dann würde ich wissen, welcher der beste Politiker ist."

hb

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