Ausgabe 02 - 2002 berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Kind oder Computer?

In diesem Text hat unser Kolumnist erfolglos versucht, seine beiden derzeitigen Hauptbeschäftigungen zusammenzubringen; von dem einen zu reden und von dem anderen nicht zu schweigen. Also heißt es: Kleine Kinder mit Computern zu vergleichen, ein naiver Text auf wissenschaftlicher Grundlage in drei Kapiteln.

I. If then else

Sprechen wir nicht vom Laufen, nicht von der Bilderkennung, der akustischen Ein- und Ausgabemöglichkeit, den gesamten sensomotorischen Fähigkeiten ­ daran basteln die Computerexperten seit 30 Jahren, und meine Tochter ist mit 16 Monaten schon weiter als sie.

Denn andererseits gibt es ja auch Dinge, die die Kisten besser können, z.B. rund um die Welt kommunizieren, ganz schnell rechnen, Maschinen bewegen oder Überweisungen ausführen.

Versuchen wir trotzdem einen Vergleich. Seitdem so ein Hirnforscher vor kurzem im Radio erklärt hat, daß der aktuelle Forschungstand derzeit so sei, daß man annehme, das Gehirn funktioniere wie ein sehr kompaktes Internet, seitdem ist mir ­ na ja ­ einiges klar.

Denn bei einem Rechner funktioniert es so: IF ­ THEN ­ ELSE. Zu deutsch etwa: Wenn ­ dann ­ sonst. Das ist eine Regel oder Anweisung. Je mehr er davon hat (wenn sie denn stimmen und miteinander übereinstimmen), desto klüger ist er. Millionenmal in der Sekunde fragt er: „Is da draußen was passiert? Hat jemand auf meine Taste gedrückt?", und wenn etwas passiert ist, dann wendet er eine seiner Regeln an.

Versuchen wir das mal anschaulich zu machen anhand eines kleinen Kindes beim Abendbrot. Da nähert sich ein Löffel mit lecker Pampe dem Mund. Der Programmablauf ist jetzt also folgender: IF (Hunger) AND (Mund = leer) THEN (Mund auf (Löffel rein)) ELSE (IF NOT (schlechte Laune)) THEN ((Mund = zu) AND (Blick = frech)) ELSE (schlagen OR schreien OR ausspucken)* END IF.

Den Laien beschleichen Zweifel: So denken kleine Kinder doch nicht. Oder doch. Weiß man's? Man weiß es nicht.

II. Fuzzy-Logik und Chaostheorie (die höheren Programmiersprachen)

Wenn wir ein Laptop sind, mit Beinen ­ Armen, Ohren und einem Schwanz, bzw. wie sagt man bei den Frauen (Darf ich Sie einmal fragen, meine Dame, wie Sie ihr Geschlechtsteil nennen?)...

Wenn wir ein Laptop sind (um mal zum Thema zurückzukommen), dann sind wir verdammt gut programmiert. Das ist bekannt. Die Bewunderung für den oder die Programmierer geht soweit, daß man sie „Gott" genannt hat. Nicht zu Unrecht, möchte ich meinen. Insbesondere die Programmlogik ist so hoch entwickelt, daß man das komplizierteste, was man sich nur denken kann, damit denken kann. Zum Beispiel diesen grad' verklungenen Satz, der bei näherem Betrachten gar keinen Sinn ergibt. Sogar Sinnloses läßt sich also denken; davon sind die Computer noch weit entfernt.

III. Rechnerleistung

Die Erbgutinformation des Menschen paßt auf drei CDs. Also etwa Windows, Office und eine Spiele-CD (daß man mal einen Vergleich hat). Hier ist alles in einem Paket zusammengefaßt. Das Programm wird im Mutterleib kompiliert und startet dann als selbstentpackende exe. Es handelt sich um Freeware, es fallen aber zusätzliche Kosten an, die Sie bitte den kleingedruckten Vertragsbedingungen entnehmen. Es bietet einen beachtlichen Funktionsumfang. Und jede Version ist anders. Und nicht nur die Benutzeroberfläche ist anders, jede der zur Zeit etwa 6 Mrd. Versionen ist individuell konfiguriert. (Deshalb übernimmt der Hersteller auch keine Garantie.)

Die Installation ist langwierig. Nach neun Monaten verlassen sie ihre schützende Umgebung und sind dann beschränkt netzwerkfähig. (Dieses Feature wird nachinstalliert.) Nach ca. 30 Jahren sind sie in der Lage, ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten (hoffentlich).

Die Computer dagegen, da sie sehr gut rechnen können, haben schon kurz nach ihrer Geburt angefangen, Geld zu verdienen, das haben sie uns voraus. Viel mehr können sie aber immer noch nicht.

Mensch oder Computer. Vor dieser Entscheidung stehen wir heute. Einen neuen Rechner für 2000 Mark, wo man doch weiß, daß man sich in drei Jahren wieder einen anschaffen muß oder gleich ein Kind. Das hält ca. 70 Jahre und ist zunächst kostenlos. Und es macht viel Freude.

Denkt mal drüber nach.

Hans Duschke

Bov Bjerg ist bekannt, daß Hans zwei von jeder Sorte hat.

*(schlagen OR schreien OR ausspucken) ist genau dann WAHR, wenn wenigstens eine der drei Bedingungen WAHR ist.

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