Ausgabe 02 - 2002 berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Schill kommt ­ Schily ist schon da

Die gute Nachricht zuerst: Die Partei Rechtsstaatliche Offensive (PRO), nach ihrem einzigen nennenswerten Mitglied meist Schill-Partei genannt, ist in ihrer Heimatstadt Hamburg schon wieder so gut wie am Ende. Die Regierung der rechtschaffenen Rebellen zeichnet sich durch allerlei peinliche Skandälchen und weitgehende politische Ergebnislosigkeit aus. Dennoch ist die Partei auf Expansionskurs. In Sachsen-Anhalt will sie im April ihren Hamburger Wahlerfolg wiederholen; jetzt kommt sie, und das ist die schlechte Nachricht, auch nach Berlin. Seit Anfang Februar bereitet eine ehemalige CDU-Politikerin die Gründung eines PRO-Landesverbandes vor. Die Dame legt Wert darauf, daß sie ihre alte politische Heimat „nicht im Zorn" verlassen habe. Warum tat sie es dann? Womöglich bedeutet ihr eine Partei nicht mehr als ein Pöstchen, das in Zeiten wie diesen bei der Berliner CDU schwerer zu halten ist als bei einer frisch gegründeten 20%-Partei. Die tiefere Erklärung ist aber das Schwinden der inhaltlichen Unterschiede zwischen der milden Volkspartei und den aggressiv populistischen Aufsteigern. Es ist einfach egal, in welcher Partei man steckt.

Die Parteienforscher verlautbaren, daß der Schill-Partei voraussichtlich ein längerfristiger Erfolg versagt bleiben wird. Zu groß seien ihre organisatorischen und personellen Unzulänglichkeiten: Politische Gruppierungen, die sich nur auf das Charisma ihrer Führer verlassen, kommen auf Dauer nicht gegen die Apparate der etablierten Parteien an, zumal wenn der Rebellenbonus so schnell aufgebraucht wird wie bei Schill. Auch die thematische Beschränkung auf die Sicherheitspolitik ist nicht besonders erfolgversprechend. Sicherheitspopulismus ist kein Privileg der Schillpartei, sondern bereits wahlpolitischer Standard: Keine Partei, die nicht vom „gesteigerten Sicherheitsbedürfnis der Bürger" schwafelt – und es damit weiter steigert. Bei Schill ist das Politfolklore, bei Schily schon Routine. Dies ist die schlechteste Nachricht.

jt

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