Ausgabe 02 - 2001berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Autosteige und Gehstraßen

Die Parkplatzsituation rund um den Kollwitzplatz

Die Autos parken mittlerweile in Zweierreihen - und nicht etwa auf der Straße, sondern auf den Gehwegen. So zu beobachten in Prenzlauer Berg abends ab 22 Uhr rund um den Kollwitzplatz. Wo die Gehwege schön breit sind, haben dreiste Autofahrer plötzlich eine Menge freier Parkplätze direkt am Ziel zur Verfügung. Und meist sind es gar nicht die Anwohner, die nachts unmittelbar vor der eigenen Haustür parken. Die Gefahr, die ganze Nacht lang ein Knöllchen zu riskieren, ist doch zu groß. Vielmehr sind es die Kneipenbesucher, die bis an die Theke brettern wollen. Sämtliche Kreuzungsecken sind zu diesem Zeitpunkt sowieso mit schöner Regelmäßigkeit zugeparkt. Dicht an dicht und auch noch quer geparkt, kommt kein Fussgänger mehr durch. Wenn man sich vorsichtig durchquetscht, muss man auch noch die Luft anhalten, um die Rückspiegel zu umkurven. Die erwischtÕs dann meist doch unabsichtlich: Mit lautem Knall klappen sie um - sonst wäre man schlicht steckengeblieben. Richtig haarig wirdÕs, wenn man ein Fahrrad mithat oder einen Kinderwagen. Vertut man sich da in den Abmessungen, gibtÕs teure Kratzer im Lack - an den Autos.

Laut der Polizeidirektion 7 liegen aber derzeit keine Anzeigen von Autobesitzern wegen derartiger Sachbeschädigung vor. Auch von verklebten Autorückspiegeln mit Aufklebern wie "Parke nicht auf unseren Wegen", mit denen erboste Fußgänger den Falschparkern zumindest eine Gedankenpause beim langwierigen Abpopeln gönnen, hat man dort nichts gehört. Die Polizei warnt aber vor solcher Art von Selbstjustiz mit dem Hinweis, das sei Sachbeschädigung.

In den achtziger Jahren waren solche Klebeaktionen viel weiter verbreitet, erinnert sich Bernd Herzog-Schlagk vom "Fuss e.V." "Und alle Anzeigen wurden damals eingestellt, weil sich die Aufkleber rückstandslos entfernen ließen", betont er. 1989 war einmal sogar kurzzeitig der Senat von Berlin auf der Seite der Fußgänger und hatte eine Öffentlichkeitskampagne gegen Parken auf Fuß- und Radwegen ins Leben gerufen. Videos, Plakate und auch Aufkleber wurden im Senatsauftrag hergestellt, doch dann nie eingesetzt, weil man sprichwörtlich kalte Füße bekam und alles einstampfte. Restexemplare sicherte sich der "Fuss e.V.", und zehrt noch heute von diesem Fundus.

Poller als letzte Rettung

Die Lage der Fußgänger verbessern würde die Doppelmaßnahme von vorgezogenen Gehwegnasen und konsequentem Aufstellen von Pollern - doch das kostet Geld. Herzog-Schlagk glaubt zudem, dass derzeit nur eine große Kampagne, die auch von oben mitgetragen wird, etwas am eigentlichen Problem ändern kann. "37 unterschiedliche Schilder gibt es in der Straßenverkehrsordnung, die ein legales Parken auf Gehwegen ausweisen." Auch das Quer- oder Schrägparken habe dazu geführt, dass die Besitzer großer Autos meinten, ihren Wagen halb auf dem Gehweg hochfahren zu müssen, damit niemand das Heck abrasiere. Die Legalisierung der Parkfläche geschehe dort schleichend. Besonders kritisiert Herzog-Schlagk den Glauben der Autobesitzer, ein natürliches Anrecht darauf zu haben, direkt vor ihrem Wohnzimmer parken zu können. "Andere Leute gehen auch 500 Meter zur Straßenbahn und bestehen nicht darauf, dass die vor ihrer Haustüre abfährt."

Auch Stephan Bollmann, der stellvertretende Leiter des Tiefbauamtes Pankow, sieht als wirksamste Maßnahme den Einsatz von Pollern, wenn er auch einräumt, dass das aus stadtgestalterischer Sicht nicht das Wahre ist. Denn auch ihm bereiten die Parker und vor allem die Lieferwagen, die zunehmend die Gehwege befahren, große Probleme. Das Altberliner Gehwegpflaster wird vor allem in den Randstreifen, wo das kleine Mosaikpflaster liegt, nachhaltig zerstört. Fahrspuren graben sich ein, die kleinen Steine verschieben sich und die Bordsteine werden beim Hochfahren gelockert. Das Geld für die aufwändige Instandsetzung fehlt. Mittlerweile aber nutzen die Autofahrer, neben den üblichen Hauszufahrten zahlreiche neue, ganz bequeme Auffahrten auf den Gehweg: Die behindertengerechten Bordsteinabsenkungen an den Kreuzungen. Man könnte kommentieren: Behindert im Kopf sind sie ja. Aber das käme uncool rüber.

sas

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