Ausgabe 02 - 2001berliner stadtzeitung
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Arni wurde geklont, bald auch wir?

Das Gen-ethische-Netzwerk bringt Licht in das Verwirrspiel der Gentechnik

Was ist eigentlich Gen? Jedenfalls kauft man keine Sojamilch ohne Ökosiegel, denn da ist Gen drin, das weiß jeder. Außerdem kann man per Genmontage matschfreie Tomaten herstellen, die Welt vor dem Hunger retten, Frankenstein zum Leben erwecken. Und gibt es Gen vor der eigenen Haustür? Gibt es: in der Brunnenstraße 4. Auf einem der Klingelschilder steht der Name: Gen-ethisches Netzwerk, kurz GeN.

In den Räumen des GeN herrscht ein geschäftiges Treiben. Verschiedene Computer sirren, außer einer zuvorkommenden Praktikantin scheinen alle nur schwer abkömmlich zu sein. Wortfetzen, die aus den Gesprächen zu entnehmen sind, sind so aufschlussreich wie: "Freisetzung, Präimplantationsdiagnostik, DNA-Chip". Aber die Initiative GeN ist eigentlich nicht angetreten, um Verwirrung anzurichten, sondern um Verwirrung zu lichten. Meldungen wie über das Klonschaf Dolly oder die genetisch veränderte "Krebsmaus" gehen durch die Presse und erzeugen meist eine Mischung aus Besorgnis und Verunsicherung. Nicht einmal die menschlichen Gene sind mehr tabu - mittlerweile werden zu Forschungszwecken menschliche Embryonen hergestellt und per "Pränataldiagnostik" können die genetischen Voraussetzungen eines Menschen bereits vor der Geburt durchgecheckt werden. Kaum jemand aber kennt den tatsächlichen Stand der Forschung: ob man bereits im Reagenzglas Organe züchten kann, wie weit unsere Nahrungsmittel jetzt schon genmanipuliert sind und welche gesundheitlichen Risiken das mit sich bringt. Und wichtiger noch - wegweisende politische Entscheidungen, von denen abhängt, wie weit der Bastelei an den Genen Tür und Tor geöffnet wird, werden gerne im stillen Kämmerlein gefällt.

Das Gen-ethische Netzwerk arbeitet daran, die komplexen, schwer fassbaren Zusammenhänge von Genforschung, Gentechnik und nicht zuletzt ihrer wirtschaftlichen Verwertung greifbar zu machen und an die Öffentlichkeit zu bringen. Vor fünfzehn Jahren riefen kritische Wissenschaftler die Initiative ins Leben. Mittlerweile ist das GeN ein weitverzweigter Verein. Damals wie heute arbeiten die meisten ehrenamtlich mit, Miete und sämtliche anderen Unkosten werden aus Spenden und Mitgliederbeiträgen finanziert.

Die Leute aus der Brunnenstraße 4 leisten Kleinarbeit. Regelmäßig werten sie die Tages- und Fachpresse aus, schaffen einschlägige Publikationen an, bringen Gesetze und Richtlinien zur Gentechnik auf den neuesten Stand, sortieren, räumen, heften ab und archivieren. Das Archiv ist frei zugänglich. Es wird von Journalisten, interessierten Privatleuten oder Initiativen genutzt, die sich in Sachen Gentechnik engagieren. Die Aktivitäten des GeN erschöpften sich jedoch nicht in Sortierarbeiten. Seine Öffentlichkeit erreicht das Netzwerk auch durch die zweimonatlich erscheinende Fachzeitschrift "GID" (Gen-ethischer Informationsdienst).

Der Effekt solcher Informationen reicht mitunter viel weiter, als dass es dem Normalbürger mal wieder einen Schauer über den Rücken jagt. Die Gruppe "Kein Patent auf Leben", die eng mit dem GeN zusammenarbeitet, und "Greenpeace" brachten zum Beispiel Patentanträge auf genetisch veränderte Lebewesen an die Öffentlichkeit. Firmen lassen so die DNA von Pflanzen und Tieren urheberrechtlich schützen, wie man herkömmlich Erfindungen schützte. Abgesehen vom Pressewirbel, der entstand, wurden mehrere Patentanträge zurückgezogen, unter anderem ein Patent auf eine Chimäre zwischen Schwein und Mensch. Aktuell soll die Patentierung von Leben Einzug in den bundesdeutschen Gesetzeskanon erhalten. Durch eine kritische Öffentlichkeit und den Widerstand solcher Initiativen wie GeN wurde bislang immerhin verhindert, dass der Gesetzesentwurf zum vorgesehenen Termin am 30. Juli letzten Jahres umgesetzt wurde.

Tina Veihelmann

Gen-ethisches Netzwerk e.V./Gen-ethischer Informationsdienst, Brunnenstraße 4, 10119 Berlin, fon 6857073, www.gen-ethisches-netzwerk.de
Gegen 12 DM gibt das GeN die Faltblattreihe: "Essen aus dem Genlabor"
ab.

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