Ausgabe 02 - 2001berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Musik für die Massen

Von Minimal bis Techno

Techno und elektronische Musik galten als Inbegriff von Distanz und kühler Maschinenwelt. Und nach wie vor sind Laptop-Auftritte bei Konzerten nicht gerade der ekstatische Höhepunkt einer Rock«n«Roll-Show. Allerdings ist Minimal-Techno auch weit mehr als verkopftes Avantgardeexperiment, wie SND eindrucksvoll beweisen. Das erste Album von SND wurde auf der Ars Elektronica 1999 zum Album des Jahres gewählt. Auf ähnliche Begeisterung dürfte auch das zweite Album treffen. Denn noch deutlicher tritt auf Stdiosnd Types (Mille Plateaux) das anatomische Grundgerüst der Rhytmusarchitektur hervor. Das Können von SND zeigt sich darin, dass trotz aller Reduktion keine kalte, glatte Struktur entsteht, sondern vielmehr ein Geflecht, in dem sich die einzelnen Komponenten verhaken. Eine Inspirationsquelle mag stundenlanges und hingebungsvolles Zuhören des Prasselns am Lagerfeuer gewesen sein. Das entspricht auch dem Gefühl, das sich beim Hören dieser Musik einstellt: kontemplative Ruhe nistet sich im Gehörgang ein und egal wie kalt es darum herum auch sein mag, die Wärmeabstrahlung der Boxen entspricht in etwa der eines lauschigen Kaminfeuers.

Deutlich verspielter und direkter geht es im Scratch Pet Land zu. Im Gegensatz zu SND ist Rhythmus hier eher ein Nebenprodukt aber keinesfalls so etwas wie ein Gerüst. Solo Soli iiiii (Sonig) glänzt vielmehr mit einer Art Wildstyle-Elektronik. Vielleicht am ehesten damit zu umschreiben, was rausgekommen wäre, wenn Jimi Hendrix auf ein DJ Kollektiv wie Jurassic 5 getroffen wäre und es ihr Projektziel gewesen wäre, mit möglichst wenigen Elementen soviel weirdness wie möglich zu erzeugen. Aneinander gereiht werden skurrile elektronische Geräusche und Melodiefetzen. Allerdings türmt sich das Ganze nie zu einem unüberschaubaren Soundgebirge auf. Und wenn sich die Einzelteile dann doch einmal zu einem gemeinsamen Groove zusammenwabern, bleibt das Konzept von Reduktion auch bei Scratch Pet Land deutlich hörbar. Insgesamt einfach ein großer Spaß.

Bei Techno hört dieser im allgemeinen auf. Und auf diese Stumpfheitsfalle fällt auch Dave Tarrida das ein oder andere Mal herein. Wenn er sich aber gehen läßt und anfängt herumzuspielen, wird seine Musik subtil und trotz aller Düsternis stark spaßorientiert. Para-noid (Tresor) ist der Sound zwar nur bedingt, aber verstörend wirkt es allemal, wenn aggressive Basslinien mal von Kinderzimmer-Elektronoise, mal von Geräuschen ähnlich einer kaputten Scheibenwischanlage oder schlicht von Freaky-Funkelementen überlagert werden. Das ist ungefähr die Musik, die entstehen muß, wenn ein schottischer Club-DJ das mediterrane Klima Barcelonas entdeckt und Spanien zu seiner neuen Heimat macht. Eine gute Entscheidung, Mr. Tarrida.

Marcus Peter

Dave Tarrida legt am 7. März im Tresor auf.

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