Ausgabe 01 - 2001berliner stadtzeitung
scheinschlag

Diese Ausgabe

Inhaltsverzeichnis


Zur Homepage

Danke, vielleicht später

Am Alexanderplatz droht ein stadtplanerisches Debakel ersten Ranges

Eigentlich ist bei der Umgestaltung des Alexanderplatzes längst alles in Sack und Tüten. Im September 1999 wurde vom Senat der Bebauungsplan beschlossen, der den halben Alex zum Abriss freigibt, unter anderem den Kaufhof, das Forum-Hotel und das Haus des Reisens. An ihrer Stelle sollen neue Hochhäuser entstehen, wie auch auf den noch unbebauten Flächen zwischen Alexanderstraße und S-Bahn sowie auf der Platzecke, auf der sich jetzt ein Basketballfeld befindet. Der Alexanderplatz wird dadurch erheblich kleiner ­ erheblich größer werden die Möglichkeiten zur Grundstücksausnutzung für die Investoren.

Doch gerade die spielen nun nicht so recht mit. Die Eigentümer sehen für neue Hochhäuser auf absehbare Zeit keinen Bedarf und investieren kräftig in die eigentlich dem Abriss geweihten Häuser. Das Forum-Hotel läuft so gut, dass die Interconti-Gruppe, zu der das Haus gehört, derzeit 328 der rund 1000 Zimmer mit einem zweistelligen Millionenbetrag modernisiert. Noch bis 2007 läuft der Mietvertrag des Forum-Hotels. Die Deutsche Interhotel, der das Grundstück gehört, plant dem Vernehmen nach nur „mit gebremster Kraft" an den drei neuen, bis zu 150 Meter hohen Hochhäusern, die dort laut Bebauungsplan zulässig sind.

„Nichts überstürzen"

Auch das im Flachbau des Hotels gelegene Elektronik-Kaufhaus „Saturn" macht so hohe Umsätze, dass man den Standort Alexanderplatz nicht aufgeben will. Der Metro-Konzern, zu dem der Kaufhof gehört, schätzt den Alex ebenfalls. Das Kaufhaus ist so profitabel, dass man gern erweitern möchte. Zunächst soll nur der zehngeschossige Sockelbau um das bestehende Haus herumgebaut werden. Auf keinen Fall will Metro den Konsumtempel während der Bauphase auch nur für einen Tag schließen. Das dürfte schwierig werden, denn für das Hochhaus, das einmal aus dem Sockelbau herauswachsen soll, sind aufwendigere Gründungsarbeiten als am Potsdamer Platz nötig. Ein Investor für diesen Turm fehlt allerdings noch.

Genauso sieht es beim Büro-Projekt der Wohnungsbaugesellschaft Degewo aus: Sie will an der Ecke Alexander/ Grunerstraße schon in diesem Jahr mit dem Sockelbau anfangen, für das Hochhaus hat sie allerdings noch keinen Geldgeber. Die Hines-Gruppe will ebenfalls am liebsten noch in diesem Jahr ihren Block auf dem heutigen Basketballplatz beginnen, hier fehlt jedoch noch ein Nutzer für den Bau. In einem Zug will die Kehrer-Gruppe Sockel und Hochhaus bauen, wo heute noch das Haus des Reisens steht, dabei aber „nichts überstürzen". In die Fassade des ebenfalls abrissbedrohten ehemaligen Hauses der Elektrotechnik ist gerade noch kräftig investiert worden­ auch wenn die metallische graue Verkleidung inklusive eines unvermeidlichen Döblin-Zitats das Erscheinungsbild eher verschlimmert hat.

Klägliches Fragment

Die Stadtplanung am Alexanderplatz ist ein fortgesetztes Desaster: Den städtebaulichen Wettbewerb gewann 1993 Hans Kollhoffs gigantomanischer Entwurf, der mit 13 Hochhäusern den Investoren die höchste Grundstücksausnutzung ermöglichte. Die Anwohnerproteste hatte der Senat während des gesamten Verfahrens vollständig ignoriert. Allein ökonomische Gründe sorgten dafür, dass das Kollhoffsche „Hochhausgewitter" auf zehn Türme reduziert wurde. Um überhaupt einmal Baurecht zu schaffen, hatte der Senat 1998 nur noch für sechs Hochhäuser das Bebauungsplanverfahren fortgesetzt. Vom Anfang bis zum Ende hat der Senat sein Planung konsequent an den Interessen der Investoren ausgerichtet. Wie sehr diese sich an ihre Selbstverpflichtung, bis 2004 mit den Sockelbauten und bis 2011 mit den Hochhäusern zu beginnen, gebunden fühlen, ist absehbar: gar nicht. Wie will der Senat auch jemandem zum Baubeginn zwingen?

Wahrscheinlich entsteht also irgendwann ein klägliches Fragment der größenwahnsinnigen Kollhoff-Planung ­ ein Ergebnis, das niemandem behagen kann. Der Senat hat den Alex sehenden Auges in dieses Debakel hineinmanövriert. Die vernünftigste Lösung wäre, die Pläne sofort zu begraben. Doch leider weigert sich die Berliner Stadtregierung, Fehlplanungen wie diese einzugestehen.

Jens Sethmann

© scheinschlag 2001
Inhalt dieser Ausgabe | Home | Aktuelle Ausgabe | Archiv | Sitemap | E-Mail

  Ausgabe 01 - 2001