Ausgabe 01 - 2001berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Den „Eimer" einfach so auskippen?

Manche reiben sich hier immer wieder die Augen: Seit elf Jahren ohne Telefonanschluss, ohne Konto, ohne Fördergelder, ohne Kabelfernsehen ­ und seit genau elf Jahren besetzt! Und dies mal mehr, mal weniger still und heimlich. Genau dieses Jubiläum feierte der „I.M. Eimer" am 17. Januar. An diesem Tag öffnete 1990 eine kleine Gruppe Kreativer erstmals die Räume des bis heute völlig autonom gebliebenen Kulturhauses in der Rosenthaler Straße 68.

Erst am 18. Dezember 2000 hatte
die Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) versucht, mit einer Räumungsklage dem Projekt ein Ende zu bereiten. Doch massiver Protest und umsichtige Diplomatie im Hintergrund verhinderten das Schlimmste. Am Runden Tisch wird nun nach einer vernünftigen Perspektive für die Arbeit des „Eimers" gesucht. Schließlich soll der elfte Geburtstag nicht der letzte sein! Damit die Arbeit nach der Drohgebärde langfristig gesichert weitergehen kann, soll der neu gegründete Verein „Rettet den Eimer e.V." künftig das Haus nach außen und innen vertreten: Über hundert Mitglieder traten schon bei. Trotzdem wäre den meisten der Crew sicher lieber gewesen, wie bisher in offenen und freien Strukturen ohne Verträge und Satzungen zusammenzuarbeiten. Schließlich läuft auch die Alltagsorganisation seit der Geburt ohne formalen Kassenwart und Schriftleiter.

Gerade beim Standort Mitte werden Mainstream-Stadtpolitiker ja nicht müde, das hohe kreative und künstlerische Potenzial des Zentrums zu betonen. Gleichzeitig erhalten aber gerade die Alternativprojekte, mit denen sich die offizielle Welt gerne schmückt, kaum politische Unterstützung. Gerademal das „Tacheles" konnte sich halbwegs retten. Wenn nicht zügig ein Umdenken in der offiziellen Berliner Politik gegenüber Alternativstrukturen beginnt, sind bald vor lauter Glas- und Einkaufspalästen kaum noch wilde Ecken übrig, wo sich eben dieses gelobte, pulsierende Bohème-Leben entfalten kann. Einmal zerstört, lassen sie sich auch nicht mit viel Geld später wiederherstellen oder künstlich klonen.

Nicht nur der „Eimer" ist in seiner Existenz bedroht. So bangt das „Acud" in der Veteranenstraße seit dem gescheiterten Kaufversuch um seine Existenz. Der Bauwagenplatz an der „Køpi" soll versteigert werden, und die Wagenburg „Laster&Hänger" versucht seit Ende November 2000 vergeblich, mit Platzbesetzungen und Aktionen einen neuen Stellplatz durchzusetzen. Am 23. Dezember parkten die Lebe-Wagen mehrere Stunden am Kanzleramt auf dem Schlossplatz, wenig später verteilten die Wagenburgler tagelang in der Kälte die inzwischen gerne gesammelten Postkarten mit Ex-Bürgermeister Reinhard Kraetzer (SPD) als „Gefangenen des Berliner Wagenburg-Komitees". Auch sammelten sie während einer Mahnwache an der Bodestraße auf der Museumsinsel Unterschriften, mehrere tausend kamen bisher zusammen. Zu Silvester dann die vierte Platzbesetzung, diesmal in Friedrichshain an der Revaler Straße.

Lästig für die etwa 25 Rollheimer der zehn Jahre alten Kolonie ist ein ständiger juristischer Kleinkrieg mit Gerichten über Demos, Aktionen und Wachen. So entschied das Landgericht einmal darüber positiv, dass die Wagenburgler sehr wohl für ihre Demos auch ihre Fahrzeuge einsetzen dürfen. Schließlich sind ja Bauern-Proteste ohne Trecker oder BSR-Demos ohne bemannte Räumfahrt auch nicht denkbar. Doch das Oberverwaltungsgericht entschied dann wieder anders und verbot eine Dauermahnwache aus Angst vor klammheimlicher Besetzung. Letztendlich wurde die Weihnachtsmahnwache von 8 bis 18 Uhr erlaubt ­ danach würden sowieso keine Interessierten mehr dort vorbei kommen, meinten die Richter. Auch Bezirke und Senat stellen sich bei Verhandlungen quer, spielen auf Zeit und hoffen, dass sich das Problem von selbst erledigt.

Doch hier will sich niemand erledigen lassen. Die unterschiedlich bedrohten Projekte, ihre Nutzer und Sympathisanten wollen enger zusammenarbeiten, gemeinsame Strategien wachsen lassen und natürlich jede Menge Druck auf die Politik ausüben, endlich umzuschwenken. Es reicht, wenn Mauern aus Beton sind.

Thorsten John

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