Ausgabe 10 - 2000berliner stadtzeitung
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Rotstift für das Tacheles

Was für das Tacheles ein harter Schlag ist, ist für andere Projekte schon lange traurige Realität

Kultursenator Christoph Stölzl will die Förderung des Kunsthauses Tacheles zum Jahr 2001 komplett einstellen. Zu 80% arbeitete der Kunstverein bis dato eigenwirtschaftlich. 300000 DM wurden jährlich durch den Senat zugeschossen. Diese Zuwendung würde auch weiterhin dringend benötigt, so Geschäftsführer Gerd-Andreas Oberfell, um den Kulturbetrieb aufrechtzuerhalten. Gerade in diesem Jahr müsse der Verein unter erschwerten Bedingungen wirtschaften. Die umfangreichen Bauarbeiten führen einerseits zu einem Ausfall an Einnahmen, gleichzeitig fallen zusätzliche Kosten an. Nach Abschluss der Umbauten rechnet Oberfell damit, bald wirtschaftlich unabhängig zu sein. Zum jetzigen Zeitpunkt aber sei die Streichung der Senatsgelder nicht zu verschmerzen.

Im Kultursenat begründet man den Schritt mit finanziellen Zwängen. Mit dem Haushaltssanierungsgesetz zum Jahr 2000 habe man die Auflage bekommen, bei den senatsgeförderten Kulturprojekten Einsparungen von insgesamt 5% vorzunehmen. Die Sparmaßnahmen beschränken sich jedoch auf Projekte, die vom Senat sogenannte „Zuwendungen" bekommen. Unter diese Kategorie fallen z.B. Kulturstipendien oder die Projektförderung freier Träger. Nicht betroffen sind Kultureinrichtungen, die vom Land Berlin getragen werden, etwa die großen Staatstheater oder die Opernhäuser.

„Wir haben den Rotstift beim Kunsthaus Tacheles angesetzt, weil wir meinen, dass das Tacheles durch seinen Bekanntheitsgrad noch verhältnismäßig günstig andere Mittel einwerben kann", meint die Pressesprecherin des Kultursenats. Der Kunstverein dagegen vertritt den Standpunkt, diese Möglichkeiten habe man bereits ausgeschöpft.

Unter den freien Kulturprojekten war das Tacheles hinsichtlich öffentlicher Förderungen bislang noch vergleichsweise privilegiert. Andere Einrichtungen, wie z.B. der Kunstverein AKUD, haben noch nie regelmäßige Zuwendungen erhalten. „Wir wollen nicht die freien Kulturvereine gegeneinander ausspielen." meint Gerd-Andreas Oberfell. Im Gegenteil sei gegenseitige Unterstützung notwendig. Derzeit werden erste Schritte unternommen, ein „Netzwerk Off-Kultur" auf den Weg zu bringen. Bisher haben sich u.a. das Tacheles, Pfefferwerk, Kulturfabrik und Kulturbrauerei sowie ACUD, Schokoladen und das Parkhaus Treptow zu einem lockeren Verbund zusammengeschlossen. Zum 17. November ist eine gemeinsame „lange Nacht der Off-Kultur" geplant. Die Einnahmen aus den Veranstaltungen fließen in einen Fond, den das Netzwerk anlegt, um sich bei Gefährdung gegenseitig unter die Arme zu greifen. Man möchte mit der langen Nacht auch zeigen, welchen Stellenwert Off-Kultur in Berlin hat.

Tina Veihelmann

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  Ausgabe 10 - 2000