Ausgabe 05 - 2000berliner stadtzeitung
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Der Brandstifter

Eine neue Marinus van der Lubbe-Biographie

Der niederländische Maurergeselle und Linkskommunist Marinus van der Lubbe war in Berlin lange so gut wie vergessen. Das hat sich dank der Initiative einiger seiner Landsleute mittlerweile geändert.

Sie setzen sich dafür ein, daß ein Stein für den Mann, der den Reichstag 1933 anzündete, vor diesem aufgestellt wird. Dieser Stein gehört zu einem von den Künstlern Ron Sluik und Reinier Kurpershoek geschaffenen Triptychon für den von den Nationalsozialisten ermordeten van der Lubbe. Die beiden anderen Steine wurden bereits in seiner Heimatstadt Leiden und auf dem Leipziger Südfriedhof, seiner letzen Ruhestätte, aufgestellt.

Die von der Stiftung "Ein Grab für Marinus van der Lubbe" vorgeschlagene Aufstellung des Steins vor dem Reichstag war aber bislang nicht mög- lich, da der Berliner Senat als zuständiger Entscheidungsträger die dauerhafte Aufstellung des Steins dort oder anderswo in Berlin strikt ablehnt.

Wer aber war dieser Marinus van der Lubbe? 1999 erschien eine neue Biographie van der Lubbes, geschrieben von dem niederländischen Journalisten und Schriftsteller Martin Schouten. Einleitend schildert er in Form einer Erzählung, wie van der Lubbe den Reichstag in Brand steckt und noch am Tatort festgenommen wird. Martin Schouten ist der Meinung, daß die Brandstiftung die Tat des Einzeltäters van der Lubbe ist. Über die seit Jahrzehnten andauernde Kontroverse, ob nicht die Nazis die eigentlichen Brandstifter gewesen seien, gibt Schouten einen kurzen, aber informativen Überblick.

1909 in Leiden geboren, wuchs van der Lubbe in großer Armut auf. Er machte eine Lehre als Maurer. Als er sich von seinem Kumpel Simon Harteveld von der Richtigkeit der Mitgliedschaft im Kommunistischen Jugendverband überzeugen ließ, kam es zu Streitigkeiten mit seiner Familie und er zog in ein eigenes Zimmer in Leiden.

Er entwickelte sich zu einem kämpferischen Aktivisten, der sich allerdings wenig für die Parteidisziplin interessierte. Stattdessen initiierte er eigenständig Aktionen und gab Flugschriften heraus, ohne die kommunistische Partei um Erlaubnis zu fragen.

1931 wollte er gemeinsam mit seinem Freund Henk Holwerda auf eine Sport- und Studienreise durch Europa gehen. Dabei wollten sie auch die Sowjetunion besuchen, um sich selbst ein Bild über das Leben der Arbeiter dort machen zu können. Als die KP ihnen diese Wanderreise verbieten wollte, trat van der Lubbe aus. Er schloß sich einer linkskommunistischen Organisation an, bei seinen Wanderungen durch Europa gelang es ihm allerdings nicht, in die Sowjetunion einzureisen.

Anfang 1933 kam aus Deutschland die Nachricht, daß Adolf Hitler Reichskanzler geworden war. Für van der Lubbe war klar, daß er nach Deutschland mußte, um mit den Arbeitern zu reden. Am 3. Februar brach er in Leiden auf, am 18. Februar kam er in Berlin an.

Er kam zu der Überzeugung, daß konkrete Aktionen gegen Hitler notwendig seien - deshalb zündete er am 27. Februar den Reichstag an.

Das Reichsgericht in Leipzig verurteilte van der Lubbe aufgrund eines nachträglich erlassenen Gesetzes zum Tode, am 10. Januar 1934 wurde er hingerichtet. Sowohl die Nationalsozialisten als auch die Kommunisten machten Marinus van der Lubbe zum Objekt ihrer Propaganda.

Die Biographie liefert Stoff für eine vernünftige Antwort auf die Frage: Ist es richtig, einen Gedenkstein für den Brandstifter vor dem Reichstag aufzustellen?

Abgerundet wird das Buch durch den Abdruck von Dokumenten von und über Marinus van der Lubbe.
Detlef Kundt

Martin Schouten: Marinus van der Lubbe - Eine Biographie. Aus dem Niederländischen von Helga Marx und Rosi Wigmann, Verlag Neue Kritik, 38 DM

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