Ausgabe 05 - 2000berliner stadtzeitung
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Wir sind jetzt dran

Douglas Adams in der Kulturbrauerei

Sich über das Publikum von Lesungen zu verbreiten ist meistens müßig. Zumal es immer dieselben Gestalten sind, Germanistikstudenten eben. Aber bestimmte Autoren schaffen es offensichtlich, eine andere Klientel heranzuziehen, z. B. Physikstudenten oder Philosophie oder was es sonst noch «Ph« gibt. Einer von denen ist Douglas Adams, der in Berlin seinen einzigen Auftritt in Deutschland hatte.

Schon zwei Stunden vorher hatten junge Menschen aus dem Rest der Republik die Tische und Bänke der Abendbewirtschaftung des Soda-Restaurants besetzt. Und waren willens, 25 DM zu bezahlen, um den Meister, den Erfinder des "Anhalter"-Kosmos, den "Mac-User der ersten Stunde", so der Verlagsmensch, zu hören und zu sehen.

Bevor der große Schriftsteller kommt, geht erst einmal ein paar Mal das Licht an und wieder aus. Dann betritt ein Verlagsmann die Bühne und erzählt von den großen Verdiensten des Annoncierten, Bachs "Toccata und Fuge" ertönt, und er ist da: mittelalter Mann mit weniger werdenden grauen Haaren im schwarzen T-Shirt und in ausgewaschenen Jeans. Sieht ziemlich sympathisch aus. Er steht, läuft und gestikuliert und redet beinahe ununterbrochen. Zunächst einige Anekdoten, darüber, wie Briten das Kommunizieren vermeiden. Über seine Erfindung der "Anhalter durch die Galaxis", über die Entwicklungsgeschichte von Computern und die Prophezeiungen der Experten der ersten Stunde, daß für die gesamte Menschheit nur sechs Rechner gebraucht würden. Dabei ging man von totalitären Staatsstrukturen aus. Launig erzählt der Autor ausgehend von sich über Kommunikation. Dabei wünscht man sich, diese Vorlesung früher gehabt zu haben, im Nicht-Physikstudium. Andererseits: Für 25 DM will man sich nicht unbedingt langweilen müssen, und Doulas Adams ist per se als guter Unterhalter bekannt. Es wird viel gelacht. Und über allem liegt ein Hauch von Hoffnung, daß Adams vielleicht doch noch etwas vorlesen könnte.

Stattdessen spricht er über das Internet als interaktives Kommunikationsmedium, das den Menschen wieder die Möglichkeit gibt sich auszutauschen, was die anderen Medien uns haben verlernen lassen: "Eine Werbebroschüre kann man nicht fragen." Möglicherweise stimmt es ja, daß im Internet der Kunde König ist. "It«s us who are in charge now." Also: Wir sind jetzt dran, ruft er der Gemeinde zu. Er sagt es in einem Ton, der eigentlich Fähnchen und Händeheben erforderte. Aber die Gemeinde antwortet nicht, sondern klatscht zum Abschluß ohne Durchhaltevermögen. Doch kein Vorlesen mehr. Adams hat nur etwa eine Stunde geredet.

Aber es war angekündigt: Eigentlich sollte an diesem heißen Vorsommerabend das Internetprojekt h2g2.com vorgestellt werden, der "Hitchhiker«s Guide to the Galaxy" im Internet. Zweimal H und zweimal G, alles klar? Viele der anwesenden Internetfreaks wußten sowieso bescheid. Der Rest wird es zumindest einmal probieren, obwohl die Seite zunächst verwirrend ist. Sie soll ein Forum sein für alle und jeden. Wie der "Anhalter", in den auch jeder Reisende im Roman etwas schreiben kann. Vielleicht schreibt einer dort hinein, ob es ihm oder ihr etwas gebracht hat. Dann kann man ja mal drüber reden.
Ingrid Beerbaum

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