Ausgabe 12 - 1999berliner stadtzeitung
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Ausgeklikt?

Der Straßenkids-Laden "Klik" soll geschlossen werden

Der Kontaktladen für Straßenkids in Krisen "Klik" soll auf Beschluss des Trägervereins Jugendbüro e.V. zum Ende des Jahres geschlossen werden. Die beiden hauptamtlichen Mitarbeiter wurden gekündigt. Finanzielle Engpässe werden als Begründung angegeben. Doch viele vermuten, daß konzeptionelle Unstimmigkeiten zwischen Verein und Mitarbeitern zu dieser Entscheidung führten.

Das "Klik", an der Ecke Kleine Hamburger/Torstraße gelegen, ist ein Anlaufpunkt mit vielen Möglichkeiten: Beratung in Rechts- und Sozialfragen, psychosoziale Betreuung, Vermittlung von ärztlicher und tierärztlicher Hilfe, Serviceangebote - wie die Möglichkeiten Wäsche zu waschen und zu duschen - und einfach Treffpunkt, um sich auszuruhen oder sich freizeitmäßig zu beschäftigen.

Gerade die Möglichkeit der kreativen Beschäftigung wurde in der letzten Zeit stark ausgebaut. Seit einem Jahr gibt es im Laden die Siebdruckwerkstatt, die als eine Art offenes Atelier jedem ermöglicht, die Siebdrucktechnik zu erlernen. Daraus ist mittlerweile ein beachtliches kreatives Potential entstanden: In bisher vier Ausstellungen wurden die Arbeiten der Öffentlichkeit vorgestellt. Ein Fotolabor und Proberäume ergänzen das kreative Angebot.

Kein neuer Förderantrag

Jugendbüro e.V., der Träger des Ladens, ist aus einer Initiative von Studenten der Katholischen Fachhochschule Berlin hervorgegangen. Dieser Trägerverein jedoch kündigte den beiden festangestellten Mitarbeitern und ordnete an, den Laden zum Ende des Jahres zu schließen. Begründet wurde dieser Schritt damit, dass der Verein kein Geld habe, um die Zeit bis März 2000 zu überbrücken, denn erst dann kommen die Senatsfördergelder für das Jahr 2000. Bislang wurden solche Durststrecken mit Spendengeldern bewältigt, doch diese seien dieses Jahr spärlicher geflossen. Außerdem seien die Fixkosten wie Miete zu hoch geworden.

Auf Anfrage bei der Senatsverwaltung für Jugend stellte sich jedoch heraus, dass der Verein einen Antrag für eine Förderung für das Jahr 2000 überhaupt nicht gestellt hat. Langjährige Besucher des Ladens vermuten deshalb, dass Unzufriedenheit des Vereins über die Art und Weise, wie sich das Projekt entwickelt hat, die Motivation für die Schließung sein könnte.

Erweitertes Nutzerspektrum

Die klassischen sozialarbeiterischen Tätigkeiten wie Beratungen und Serviceleistungen verlagerten sich mehr und mehr zugunsten des kreativen Bereichs wie etwa der Siebdruckwerkstatt. Gleichzeitig hat sich das Nutzerspektrum über die eigentliche Zielgruppe hinaus erweitert: Die Leute sind älter geworden, und nicht mehr alle leben auf der Straße. Im Gegensatz zum Jugendbüro sehen aber Nutzer und Mitarbeiter diese Öffnung eher positiv, als das Ergebnis einer Kontinuität der hier geleisteten Arbeit sozusagen. "Viele Leute sind eben von Anfang an bei dem Laden dabei, und natürlich sind sie dann älter geworden", so ein Mitarbeiter. So sind etliche Nutzer des Ladens in das Projekt integriert, was, so meinen viele hier, wesentlich sinnvoller sei als ein einfaches sozialarbeiterisches Dienstleistungskonzept, das nur konsumiert wird.

Nicht einfach aufgeben

Die Mitarbeiter forderten deshalb den Verein immer wieder dazu auf, das Konzept für den Laden zu überarbeiten und zu erweitern. Doch aus Angst, dass bei einer Konzeptänderung die Senatsgelder nicht mehr fließen, wurde dies vom Verein immer wieder abgeblockt. Die Kommunikation wurde zusätzlich dadurch erschwert, dass der Verein Mitarbeiter nicht als Mitglieder zulassen wollte, und diese somit an Vereinssitzungen nicht teilnehmen konnten. Diese Zweiteilung in Verwaltungsapparat und Vor-Ort-Arbeit machte die Situation immer schwieriger. Vom Verein war bislang keine Stellungnahme zu erhalten.

Die Empörung über die geplante Schließung des "Klik" ist allenthalben groß. Viele Besucher wollen den Laden nicht einfach mir nichts dir nichts aufgeben. Einige wären sogar bereit, das "Klik" mit erweitertem Konzept auf ehrenamtlicher Basis weiterzuführen. Der Mietvertrag für die Räume besteht noch für eine längere Zeit. Diese Chance, weiterhin einen Ort für all diejenigen offenzuhalten, die nicht in die Welt der schicken Mitte-Kulturszene passen, zu verspielen, wäre tragisch.
M.P.

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