Jurisdiktion der Finsternis

Carl-Johan Vallgren will uns das Jahrhundert erzählen

Der Kontrakt des Spielers: Schon der Titel des Romans gemahnt an einen schlechten Film. Carl-Johan Vallgrens kolportageartige Tour de force durch die Geschichte des 20. Jahrhunderts dürfte denn auch zu den Büchern zählen, von denen man sagt, sie eigneten sich gut für eine Verfilmung. Größenwahn bescheinigt sich der 1964 geborene, in Berlin wohnhafte Schwede selbst und fragt kokett: "Wo ist der Thomas Mann der Gegenwart?" Denn die deutsche Gegenwartsliteratur findet er langweilig.

Als Mann sich in seinem Doktor Faustus unterfing, den Nationalsozialismus als dämonische Nachtseite eines genialischen Deutschtums zu mystifizieren, war das eine Verharmlosung. In Vallgrens Jahrhundertpanorama ist dieses Kapitel sowieso nur noch eine Episode. Als der Spieler Josef Nikolai Rubaschow in der Silvesternacht 1899 eine Partie mit dem Teufel verliert, so die Story, wird er mit Unsterblichkeit bestraft und muß durch alle Schrecken des 20. Jahrhunderts. Neben privaten Katastrophen (Frau und Kind tot) bedeutet das natürlich Schützengraben im 1. Weltkrieg, Bosnienkrieg, Nordirlandkonflikt, Drogen und Erdbeben: "zwischen Eruptionen von menschlicher und unmenschlicher Schlechtigkeit". Im 1. Weltkrieg erlebt er eine "Bosheit, die sich mit dem Denken nicht fassen ließ", im 2. Weltkrieg dann "die Hölle". Im Nazi-Berlin wird Rubaschow schon mal für einen Juden gehalten, soll aber auch für das Herrenmenschenzüchtungsprogramm "Lebensborn" angeworben werden, so der Gang der hanebüchenen Geschichte. Von Ghetto und Euthanasie ist der Held entsetzt, einzig die Kolportage aus dem KZ erspart uns der Autor gnädigerweise: "Es gab keine Worte, die ausreichten, um es zu beschreiben. Es war Menschenwerk. Es war die Hölle ..." Nach dem Krieg dann Nürnberger Prozesse und Realsozialismus - auch schlimm: Menschen sollen in der Sowjetunion mit Schimpansen zu willfährigen Arbeitskräften gekreuzt werden und so weiter, bis Rubaschow in der Silvesternacht 1999 und der Leser auf Seite 398 begnadigt werden.
Florian Neuner

Carl-Johan Vallgren: Der Kontrakt des Spielers. Roman. Aus dem Schwedischen von Angelika Gundlach. Claassen Verlag, München 1999, 39,90 DM