Ausgabe 12 - 1999berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Lonesome Großstadtsamurai

Jim Jarmusch hat einen neuen Film gemacht: Ghost Dog - The Way of the Samurai

Ein großer, dicker Schwarzer läuft durch amerikanische Großstadtstraßen. Kurz zuvor hat er noch in einem Buch über Samurais gelesen. Jetzt geht er los, um einen Auftrag zu erfüllen. Er knackt mit einem Hightechgerät ein großes, teures Auto, schmeißt eine CD ein, HipHop natürlich. Es ist Ghost Dog, ein lonesome Großstadtsamurai. Er wohnt zurückgezogen auf dem Dach eines Wohnblocks in einer Hütte und züchtet Brieftauben. Die benutzt er zum Informationsaustausch mit seinem Auftraggeber, einem italienischen Mafioso. Der hatte ihn vor Jahren aus einer mißlichen Situation gerettet. Aus Dankbarkeit erklärt er sich zu dessen Gefolgsmann und führt bisweilen Aufträge für die Mafia aus.

Ghost Dog ist ein schweigsamer Typ. In den ersten vierzig Minuten spricht er nicht. Nur aus dem Off ertönen Sätze aus dem Buch, seinem Leitfaden. Ein lebender Toter, eben ein Geist, der in seiner Dachhütte sitzt und das Buch über Samurais immer und immer wieder liest. Er ist selber einer nach seinen Vorstellungen. Er scheint niemanden zu brauchen. Ein großer Schwarzer, den jeder im Viertel kennt, auch die kleine Pearline. Dann begegnen sie sich im Park und die reden über Bücher. Die Kleine trägt ihre Lieblingsbücher immer in einem roten Plastekoffer bei sich, "Frankenstein" beispielsweise. Ihr leiht er ein Buch "Rashomon", das er von der zufälligen Zeugin des fehlgeschlagenen Auftrags bekommt, der Tochter des Mafia-Bosses.

Da ist Ghost Dog schon der Gejagte. Beim letzten Auftrag ist etwas schiefgelaufen, und jetzt steht er auf der Abschußliste. Er wird sich wehren und nur "seinen" Chef verschonen. "Ich bin dein Gefolgsmann. Besser ich als du", sagt er zu ihm. Und er weiß sich gut zu wehren. Wenn er die Knarre wegsteckt, macht er das mit einem fernöstlichen Kungfuschwertschnörkel, ganz selbstverständlich. Und das kann er im Film oft tun. Ein einziges Geballer, das aber so harmlos ist, wie in den Schwarze-SerieKrimis aus den Vierzigern. Die Getroffen stöhnen, krümmen sich und fallen dann um. Und es fließt angenehmerweise kaum Blut.

Sein bester Freund ist ein ausschließlich französisch sprechender Afrikaner, der Eis verkauft. Sie verstehen sich wortlos, da keiner die Sprache des anderen spricht. Trotzdem reden sie miteinander.

Der Mafioso sagt über Ghost Dog, daß sie sich ähnlich seien: Zwei vom alten Schlage. Man kämpft Mann zu Mann, wie früher. Der Feind hat ein Gesicht, auch wenn es mal ein Freund war. Die verschont er jedoch, sie liest ein Buch: "Rashomon", das sie ihm leiht. Dieses Buch wird zum Schluß wieder bei ihr ankommen, nachdem es durch mehrere Hände gewandert ist und der große Showdown stattgefunden hat. Zwei altmodische Typen haben dann "Highnoon" gespielt, und der Gefolgsmann läßt sich erschießen, nachdem er sein Vermächtnis - Geld für den Eisverkäufer und das Samuraibuch für das Mädchen - weitergegeben hat.

Aber was will uns Jarmusch damit sagen? Daß das Alte vom Aussterben bedroht ist, daß Außenseitertum sich nicht lohnt? Dafür sterben zu viele Knallchargen auf dem großen Rachefeldzug. Einer gegen viele, die ihn bedrohen. Forest Whitacker als Ghost Dog ist John Wayne, Philipp Marlowe und Bruce Lee auf einmal und dazu noch intellektuell. Das könnte zuviel auf einmal sein, aber man nimmt es ihm ab. Zwar gibt es noch die skurrilen Typen und schrägen Einfälle. Der Mafia-Boss hört beispielsweise manchmal Rap. Aber alles ist irgendwie cooler und weniger sperrig. Und der Zuschauer wird nicht in die Hoffnungslosigkeit entlassen. Vielleicht rettet ja Pearline die Welt mit einem Buch.
ib

Ghost Dog-The Way of the Samurai, USA 1999
Regie: Jim Jarmusch, mit: Forest Whitaker, Isaach de Bankolé, Victor Argo
Kinostart: 20. Januar 2000

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