Na denn: Prost!
Endlich ist der Sommer da. Ein ganzes Jahr haben wir auf
ihn gewartet. Nun können wir wieder raus aus unseren Buden und
draußen trinken. Ähh feiern. Nicht, wie sonst, Straßen
und Plätze schnellstmöglich durchqueren, um ans Ziel zu
gelangen, sondern den öffentlichen Raum gemeinsam belegen. Vom
Balkon runterkommen und sich verabreden zu diesem oder jenem Fest, dort
Bands hören, Krams kaufen, gucken, wer sonst noch rumläuft,
gemeinsam Bier trinken. Und für jeden Geschmack hat Berlin ein
Fest zu bieten.
Der 1. Mai läutete die Saison der politischen
Straßenfeste ein. Wer im Vorlauf der G8-Proteste heftige
Straßenschlachten erwartete, war enttäuscht. Auch dieses
Jahr wurde das Parkverbot durchgesetzt, denn es hat sich
herumgesprochen: Wo keine Autos stehen, können auch keine
angezündet werden. Und zu anderweitiger Randale hatte wohl keiner
Lust. So verdunkelte nur der Rauch der unzähligen Grillstände
die Sonne und vermittelte in Kreuzberg 36 eine Ahnung von brennender
Luft. Die neuen Ich-AGs wissen, was Laune verbreitet und sich rentiert,
sie verkaufen gekühltes Becks für einsfünfzig.
Auf Berlins traditionellen Dorffesten ist der Ausschank
fest in professioneller Hand. Ansonsten präsentieren sich die
Kieze recht unterschiedlich. Das Britzer Baumblütenfest
versprüht ein ganz anderes Flair als das Fest am Helmholtzplatz.
Und schon mal auf dem Turmstraßenfest gewesen? Ui, da freut sich
das soziologische Auge. Ja, wir leben in dieser Stadt in
Parallelgesellschaften. Die Grenzen verlaufen nicht zwischen den
Herkunftsländern.
Mit Ausländern haben wir eh keine Probleme mehr.
Gastfreundschaft ist schon eine einjährige deutsche Tradition. Zum
DFB-Pokal-Finale wurde die Fanmeile wiederbelebt. Die Schausteller hat
es gefreut. Ich bin mir gar nicht sicher, ob sie noch ein Zuhause
haben. Ständig stehen sie am Brandenburger Tor parat. Wir waren
ganz freundlich zu den Schwaben und Franken, die da ihre Mannschaften
anfeuerten. Auch wenn wir kein Wort verstanden haben. Aber mal im
Ernst: Mit dem Karneval der Kulturen haben wir wieder bewiesen,
daß wir unsere Ausländer mögen, jedes Jahr Ende Mai
kriegen sie ihren eigenen Umzug. Die bunten Paraden marschieren, und
die Ausländer werden nicht geklatscht, sondern von den deutschen
Massen bejubelt. Im Juni dürfen dann die Homos auf die
Straße. Die Heten sind zum CSD auch willkommen. So sind wir in
Berlin: durch und durch tolerant. Nur die Raver mögen wir nicht
mehr. Ich weiß auch nicht, wieso. Zumindest gibt es diesen Juli
keine Love Parade. Vielleicht wird da einfach zu viel getickt statt
getrunken.
Über die Getränkeeinnahmen finanzieren sich
die meisten Feste. Nur unseren alten Alliierten reicht das nicht. Sie
verlangen noch Eintritt, um sich auf Riesenrad und Rummel des
Deutsch-Französischen oder -Amerikanischen Volksfestes zu
vergnügen. Als Freundschaftsbeweis an unsere Retter darf das mal
sein. Und mit jedem Bier wird das Fest erträglicher.
Als wären wir Berliner nicht schon
internationalistisch mit unseren Feiern ausgelegt, mischen noch die
Ministerien mit. Sollen sie. Schließlich sind sie in die
Party-Stadt gezogen, da können sie auch ihren Beitrag leisten.
Z.B. mit dem „One-World-Village": „Wir wollen dort
Entwicklungspolitik zum Anfassen präsentieren, verständlich
und unterhaltsam", sagt Heidemarie Wieczorek-Zeul. Hm, okay. Gibt es da
auch Bier? Ach ne, muß ja nicht, die Finanzierung ist ja
gesichert.
Den Reibach machen klassische Bierfeste. Der
durchschnittliche Berliner ist ein fröhlicher Biertrinker. Auf dem
Karneval der Kulturen wird mehr Bier konsumiert als Caipi, auf dem
Poesiefestival mehr als Rotwein. Das Berliner Oktoberfest am
Kurt-Schumacher-Damm findet zum 57. Mal statt, trotzdem schießen
weitere Oktoberfeste in Berlin wie Pilze aus dem Boden. Auf dem
Internationalen Berliner Bierfestival trinken wir auf 2,2 Kilometern
Sorten aus 80 Ländern. Hier können wir Live-Musik hören,
uns für ausländische Besonderheiten tolerant bis offen geben
ohne mit ihnen reden zu müssen. Und vor allem können
wir eines: in Gesellschaft Bier trinken.
Schön, daß das Fête de la Musique
weiterhin ohne Eintritt oder überhöhte Schankpreise auskommt.
500 Musiker aus aller Welt, DJs und Ensembles verschiedener
Stilrichtungen unterhalten ohne Gage die Berliner auf 60 Bühnen.
Sonja John