Tür zu!
Regierungen beglücken das Volk nicht
Noch bevor die Amerikaner sich eine Verfassung gaben,
schrieb Thomas Jefferson in die Unabhängigkeitserklärung,
daß die Amerikaner es für selbstverständliche
Wahrheiten halten, daß alle Menschen gleich geschaffen und mit
gottgegebenen, unveräußerlichen Rechten ausgestattet sind,
zu denen das Recht auf Leben, Freiheit und das Streben nach Glück
zählen. Intendiert war die Verwirklichung der beiden Ur-Utopien
der Menschheit: der ethische Traum vom gerechten Staat und der
hedonistische vom Schlaraffenland. Der Erklärung lag die
politische Philosophie zugrunde, zentrale Aufgabe der Regierungen sei,
die Sicherheit und das Glück des Volkes zu gewährleisten.
Klargestellt sei: Die Phrase „the pursuit of happiness" stammt
aus der Unabhängigkeitserklärung und wurde in die Verfassung
mancher US-Bundesstaaten aufgenommen, nicht aber in die Verfassung der
gesamten Vereingten Staaten.
Verfassungen regeln die Rechte der Bürger
gegenüber dem Staat und verpflichten den Staat zum Handeln und
Unterlassen. Was soll das „Streben nach Glück" dort bewirken
in Zeiten, in denen sich das Volk nicht mehr von Monarchen, Klerikern
und Adel emanzipieren muß? Daß der Staat es
unterläßt, die Bürger daran zu hindern, nach Glück
zu streben? Soll der Staat verpflichtet werden, seine Bürger
glücklich zu machen? Bitte nicht.
Denn Glück ist keine objektive Tatsache, sondern
subjektives Erleben. Es ist sowohl ein Gefühl als auch ein
Zustand, den man während einer kurzen Zeitdauer empfinden kann
(pleasure), bspw. beim Sex oder gutem Essen, oder auch dauerhaft
(happiness), wenn man mit dem Leben rundum zufrieden ist. Eingefordert
wurde das „Streben nach Glück" u.a. 1967, als das oberste
amerikanische Bundesgericht das Recht, nach persönlichem
Glück zu streben, über das damalig geltende Recht in Virginia
stellte, nur einmal heiraten zu dürfen.
Der politische Journalist David Brooks widmete seine
Abhandlung On Paradise Drive der Vision von Amerikanern, die sie
antreibt, sich stets zu verbessern. Mit dem Konsum vergewissern sie
sich ihrer Existenz. Unannehmlichkeiten in der Gegenwart hielten sie
aus, weil sie stets in der Zukunft leben. Dort wartet das Glück,
das Paradies. Das Streben nach Glück steht sowohl im Zentrum des
mythologischen Ideenhaushalts wie in jenem des „amerikanischen
Traums". Ein Traum sei deshalb so wichtig, meint der Politologe Jeremy
Rifkin, weil man sich sonst immer auf Ideen anderer bezieht.
Manche Menschen glauben ebenso wenig an die Illusion
einer Menschengemeinschaft wie an das Glück als Lebensziel. Das
Streben nach Glück erscheint als angenehmer Geschmack, aber nicht
als etwas, was man tatsächlich verfolgen kann. Robert Louis
Stevenson lobt in seinem Essay An Apology for Idlers die Faulheit und
den Müßiggang. Diese müßigen Menschen werden in
einem europäischen Wohlfahrtsstaat glücklicher als mit der
amerikanischen Freiheit, sich selbst zu bemühen.
In Deutschland gab es im 18. Jh. kaum Betrachtungen
über die amerikanische Unabhängigkeitserklärung.
Staatsrechtler diskutieren darüber, ob Menschenrechte unter dem
Gesichtspunkt des Rechts subjektiver oder objektiver Natur seien und ob
sie den Staat in seinen souveränen Handlungen beschränken
könnten. Doch zur gleichen Zeit hatten Millionen von Deutschen
erheblich andere Vorstellungen von der Freiheit des Einzelnen.
Insbesondere nach der fehlgeschlagenen Revolution von 1848 und der
Gründung des Deutschen Reichs von 1871 gab es kaum Raum für
eine wirkliche Auseinandersetzung mit den amerikanischen Idealen.
Was es in Deutschland mittlerweile gab, war eine Debatte
über die unglückliche Architektur des
Reichstagsgebäudes. Staatsrechtler Emanuel Schiffgens wies auf die
Verletzung des vedischen Baukodex hin, die dieser Bau aufweise und die
Erfolglosigkeit von Regierung und Parlament bedinge. Für
Glück und Wohlstand der Bevölkerung sind nach Maharishi
Sthapatya Veda Regierungs- und Parlamentsgebäude mit exaktem
Osteingang ohne West- und Südeingänge erforderlich.
„Wenn diese Unglück bringenden Türen nicht geschlossen
werden, wird der Bundestag auch in Zukunft immer von Streit und
Negativität beherrscht werden", sagt Schiffgens, „denn die
Architektur des Reichstags stellt eine grobe Verletzung der Verfassung
des Universums dar." Eingänge, die nach Osten weisen,
brächten Glück und Wohlstand.
Also: Schluß mit der westlichen Idee des Rechts
auf Streben nach Glück. Die Sache wäre einfach erledigt,
würde sich der Bundestag nach Osten öffnen.
Sonja John