Ausgabe 05 - 2007 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Porträt einer selbständigen Frau

Julie Wolfthorn wurde 1864 in Thorn geboren, lebte und arbeitete jedoch über 50 Jahre in Berlin-Tiergarten. Nach privaten Kunststudien in Berlin und Paris fand sie als eine der wenigen Malerinnen in der von Männern dominierten bildenden Kunst und Kunstpublizistik Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. Vor allem wurden ihre exzellenten Porträts und die Landschaften, die um Berlin, auf Hiddensee und in diversen Künstlerkolonien des In- und Auslandes entstanden, gewürdigt. Als sich 1898 die Berliner Secession um den Maler Max Liebermann gründete, war Julie Wolfthorn schon eine gefragte Porträtistin und gehörte zu den ersten Mitgliedern. In den folgenden Jahren war sie besonders um die Förderung der Kunst der Frauen und um die Thematisierung der Frau in der Kunst bemüht. 1906 gründete sie mit anderen Secessionistinnen die Verbindung bildender Künstlerinnen, die sich mit eigenen Ausstellungen mehr Beachtung und Ansehen verschaffte.

Wolfthorn arbeitete auch als Illustratorin für Zeitungen und beliebte Zeitschriften wie die Münchener Jugend oder die Gartenlaube. In den zwanziger Jahren fanden die Ausstellungen der Malerinnen zunehmend Interesse. Die Ausstellung Das Gesicht der selbständigen Frau 1926 war ein gesellschaftliches Ereignis. Gleichzeitig wurde die Presse, durch nationalsozialistische Ideen bestärkt, in ihrer Ablehnung der Kunst von Frauen aggressiver.

Wegen ihrer jüdischen Herkunft wurde Wolfthorn nach 1933 aus den Vereinen ausgeschlossen und erhielt keine Aufträge mehr. Zu Ausstellungen wurden ihre Arbeiten nicht mehr zugelassen. Nur auf Ausstellungen des jüdischen Kulturbundes waren nach 1933 noch Bilder von ihr zu sehen. Am 28. Oktober 1942 wurde sie und ihre Schwester nach Theresienstadt deportiert. Im Lager entstanden noch Porträtzeichnungen. Sie starb dort am 29. Dezember 1944.

Irene Knoll

„Julie Wolfthorn". Noch bis zum 31. Oktober in der Villa Thiede, Am Großen Wannsee 40, Zehlendorf. Geöffnet
Di bis So 11 bis 18 Uhr.

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