Porträt einer selbständigen Frau
Julie Wolfthorn wurde 1864 in Thorn geboren, lebte und
arbeitete jedoch über 50 Jahre in Berlin-Tiergarten. Nach privaten
Kunststudien in Berlin und Paris fand sie als eine der wenigen
Malerinnen in der von Männern dominierten bildenden Kunst und
Kunstpublizistik Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. Vor allem
wurden ihre exzellenten Porträts und die Landschaften, die um
Berlin, auf Hiddensee und in diversen Künstlerkolonien des In- und
Auslandes entstanden, gewürdigt. Als sich 1898 die Berliner
Secession um den Maler Max Liebermann gründete, war Julie
Wolfthorn schon eine gefragte Porträtistin und gehörte zu den
ersten Mitgliedern. In den folgenden Jahren war sie besonders um die
Förderung der Kunst der Frauen und um die Thematisierung der Frau
in der Kunst bemüht. 1906 gründete sie mit anderen
Secessionistinnen die Verbindung bildender Künstlerinnen, die sich
mit eigenen Ausstellungen mehr Beachtung und Ansehen verschaffte.
Wolfthorn arbeitete auch als Illustratorin für
Zeitungen und beliebte Zeitschriften wie die Münchener Jugend oder
die Gartenlaube. In den zwanziger Jahren fanden die Ausstellungen der
Malerinnen zunehmend Interesse. Die Ausstellung Das Gesicht der
selbständigen Frau 1926 war ein gesellschaftliches Ereignis.
Gleichzeitig wurde die Presse, durch nationalsozialistische Ideen
bestärkt, in ihrer Ablehnung der Kunst von Frauen aggressiver.
Wegen ihrer jüdischen Herkunft wurde Wolfthorn nach
1933 aus den Vereinen ausgeschlossen und erhielt keine Aufträge
mehr. Zu Ausstellungen wurden ihre Arbeiten nicht mehr zugelassen. Nur
auf Ausstellungen des jüdischen Kulturbundes waren nach 1933 noch
Bilder von ihr zu sehen. Am 28. Oktober 1942 wurde sie und ihre
Schwester nach Theresienstadt deportiert. Im Lager entstanden noch
Porträtzeichnungen. Sie starb dort am 29. Dezember 1944.
Irene Knoll
„Julie Wolfthorn". Noch bis zum 31. Oktober in der Villa Thiede, Am Großen Wannsee 40, Zehlendorf. Geöffnet
Di bis So 11 bis 18 Uhr.