Ausgabe 04 - 2007 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Afghanische Schmerzmittel

Die UNO verwaltet den legalen Drogenweltmarkt

Es ist seltsam: In Afghanistan wird mit aller Macht versucht, den Anbau von Schlafmohn zu unterbinden. Gleichzeitig wächst auf der australischen Insel Tasmanien auf zehntausenden Hektar die gleiche Pflanze völlig unbehelligt. Die Bauern dort ernten sie maschinell, lizenziert durch die Vereinten Nationen, und verkaufen sie beispielsweise an den US- Pharmakonzern Johnson&Johnson. Der entzieht den getrockneten Pflanzenkapseln dann ihre Wirkstoffe.

So lassen sich Morphium, Codein und andere Medikamente aus der Opiumpflanze gewinnen. Zuständig für die Verteilung dieser Stoffe, die unter die Drogenkonventionen der UNO fallen, ist der Internationale Suchtstoffkontrollrat (INCB) in Wien. Neben diversen synthetischen Arzneimitteln ist der private Gebrauch von organischen Substanzen wie Opium, Koka und Cannabis sowie all ihrer Folgestoffe ­ Heroin und Kokain ­ durch besagte Konventionen verboten. Um sie medizinisch oder für die Forschung zu nutzen, müssen die Staatsregierungen jährlich den Bedarf an den INCB melden.

Deutschland etwa meldete unter anderem den Bedarf von rund 50 Tonnen Opiaten an, die von der heimischen Pharmaindustrie benötigt werden. Der größte Abnehmer sind die USA, die ungefähr die Hälfte der weltweiten legalen Opiumernte aufkaufen. Die liegt bei etwa 5000 Tonnen Rohopium ­ die illegalisierte Opiumernte in Afghanistan im vergangen Jahr soll 6100 Tonnen erwirtschaftet haben.

Warum nutzt man nicht das afghanische Opium für medizinische Zwecke und ermöglicht so den Bauern dort, aus der Drogenökonomie auszusteigen, fragen seit längerem NGOs. Doch die bestimmende Macht im internationalen „Krieg gegen die Drogen", die Regierung der USA, hält davon nichts. Erstens könne die afghanische Regierung nicht gewährleisten, daß von einem legalen Opiummarkt nicht Stoff auf den Schwarzmarkt gelangt. Ein bizarres Argument, angesichts einer sowieso völlig unkontrollierten Drogenwirtschaft in Afghanistan. Zweitens, so heißt es weiter, sei der Bedarf an Opium für medizinische Zwecke gedeckt.

Doch ist umstritten, ob weltweit nicht wesentlich mehr Opiate in der Medizin benötigt werden. Die Pharmaindustrie der Industrieländer nimmt fast 95 Prozent der gesamten legalen Opiumernte für sich in Anspruch ­ die restlichen 80 Prozent der Staaten weltweit begnügen sich mit fünf Prozent der Ernte. Sie müssen die medizinischen Opiate aus den reichen Ländern kaufen ­ viele Patienten in Entwicklungsländern dürften sich das nicht leisten können.

Lorenz Matzat

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
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