Ausgabe 04 - 2007 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Auf einem anderen Stern

Die schönste Nebensache der Welt

In meinem Einkaufscenter ist es immer wohltemperiert, es gibt keine Fliegen, Bienen und Mücken, kleine Brunnen plätschern leise vor sich hin, die Pflanzen sind immer grün, nie regnet es. Der Centermanager sorgt für mich, auf Bänken darf ich mich ausruhen, die Durchsagen mit sanft modulierter Stimme erschrecken nicht. Der Fahrer des Wagens, der die Zuliefereinfahrt blokkiert, wird sicher schnell zu seinem Auto eilen und umparken. Die Geschäftsführer im Center sehen mich gerne als ihren Kunden. Wenn ich mich wohlfühle, dann betrete ich ihr Geschäft, um mir etwas Schönes zu kaufen. Meinem Körper kann ich seit ein paar Wochen selbst etwas Gutes tun. Sechs gepolsterte graublaue Sessel mit hoher Rückenlehne laden mich auf der oberen Centeretage zu einer Shiatsu-Massage ein. Wenn ich die Einladung annehme, wird mein Rükken von einer speziellen Auflage zehn Minuten lang sanft an ihren Druckpunkten stimuliert. Ich sehe, wie zwei Centerbesucherinnen sich mit ihrem Rükken fest an die Auflage pressen, um von den zwei Euro Gebühr keinen Cent der vibrierenden Schwingungen auszulassen. Mit ihren Händen halten sie die Sessellehnen fest umfaßt, als ob sie mit einem Flugzeug starteten. Ihre Gesichter sind ganz entspannt, die Augen halten sie geschlossen, ihr Blick ist völlig nach innen gerichtet. Sie verharren vollkommen regungslos. Die vorbeikommenden männlichen Centerbesucher halten inne und betrachten die Dasitzenden. Ohne Scheu blicken sie deren Oberkörper an. Nach ein paar Sekunden setzen sie mit einem Lächeln ihren ursprünglichen Weg fort. 

sas

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
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