Ausgabe 04 - 2007 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Parmesan und Pomeranzenkrämer

Ein anregendes Buch über Italiener und italienische Lebensart in Berlin

Wie immer man zum Latte Macchiato, einem der jüngsten Exportschlager Italiens in kulinarischer Hinsicht, auch stehen mag, eines steht auf jeden Fall fest: Ohne die vielfältigen Zutaten aus dem Land des Stiefels wäre die Berliner Küche eher ein Hort der Einöde als ein Quell sinnlichen Genusses. Doch ist, wie man meinen könnte, dieser italienisch-deutsche Transfer nicht erst eine Entwicklung des letzten Jahrzehnts, sondern, und darüber informiert das im be.bra verlag erschienene Buch Italien in Berlin von Gianluca Falanga, schon Friedrich der Große wußte die italienische Küche sehr zu schätzen. In großer Liebe zu Italien entbrannt, schaffte er es zwar zeit seines Lebens nicht, selbst das Land zu bereisen, doch unternahm er im Gegenzug vielfältige Anstrengungen, um sich „sein" Italien ins Haus zu holen. Sichtbar zeugen davon heute noch eine ganze Reihe von Bauwerken, vor allem in Potsdam, und auch das Faible des Preußenkönigs für die italienische Oper ist bekannt. Daß Friedrich jedoch auch keine Kosten und Mühen scheute, um seine Küche mit Leckereien von jenseits der Alpen anzureichern und er die besten italienischen Köche verpflichtete, die mit Trüffeln und anderen hierzulande gänzlich unbekannten Dingen fachgerecht umzugehen wußten, hätte man vielleicht weniger vermutet. Es existieren sogar noch Speisepläne, so berichtet Falanga, die dies dokumentieren. Besonders angetan war Friedrich dabei vom Parmesankäse.

Doch nicht erst mit Friedrich dem Großen beginnt die Präsenz Italiens und der Italiener hier in Berlin, wir erfahren aus dem Buch, daß schon ca. 200 Jahre vorher der brandenburgische Kurfürst Joachim II. beim Bau seiner neuen Festung in Spandau auf italienisches Know- how zurückgegriffen hatte, und in der Tat zeigt das noch heute die Bezeichnung „Zitadelle", die auf das italienische cittadella, kleine Stadt, zurückgeht.

Waren es anfänglich also vor allem Spezialisten wie Baumeister, Köche, Opernsängerinnen und Bühnentechniker, die sich hier aufhielten, wurde Berlin im Lauf der Zeit zunehmend zum Ziel der einfacheren Leute. Vor allem in der Gründerzeit gab es einen verstärkten Zuzug vieler ungelernter Arbeiter, die in der Baubranche tätig waren, mit italienischen Lebensmitteln handelten, was ihnen die Bezeichnung „Pomeranzenkrämer" einbrachte, oder mit Drehorgeln durch die Hinterhöfe der Mietskasernen zogen. 1890 wurde den italienischen Musikern die Lizenz jedoch auch gleich wieder entzogen, um die einheimischen Straßenkünstler zu schützen.

Akribisch verfolgt Falanga die einzelnen Spuren, die Italiener und Italienerinnen im Lauf der Jahrhunderte hier in Berlin hinterlassen haben, sei es als Wirte und Eishersteller, die sich hier niederließen, sei es als Künstler und Intellektuelle, die das Berlin der Weimarer Republik anzog. Er erzählt über die rasante Vervielfältigung italienischen Lebens, die seit den 1950er Jahren einsetzte und mit Politik und Kultur, Mode und Gastronomie, Design und Lebensart sowohl Ost- als auch Westberlin prägte und die Stadt bis heute bereichert.

Auch die Schattenseiten spart Falanga nicht aus, auf die sichtbar heute nur das italienische Botschaftsgebäude im Tiergarten zu verweisen scheint: Nach dem Zusammenbruch der von Hitler und Mussolini geschaffenen „Achse" Berlin-Rom kam es nämlich zu einer ganz anderen Präsenz von Italienern in Berlin ­ von den 600000 italienischen Soldaten, die die Wehrmacht gefangen genommen hatte, wurden 30000 in Berlin interniert, über deren Schicksal er ausführlich berichtet.

So wird das Buch zu einer spannenden und informativen Zeitreise; die klare Sprache und der Falanga eigene Stil, komplexe Zusammenhänge in eine gut lesbare Form zu bringen, tragen darüber hinaus dazu bei, es zu einer anregenden Lektüre werden zu lassen. Parmesan fürs Hirn sozusagen. 

Carola Köhler

Gianluca Falanga: Italien in Berlin. be.bra verlag, Berlin 2006. 19,90 Euro.

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