Parmesan und Pomeranzenkrämer
Ein anregendes Buch über Italiener und italienische Lebensart in Berlin
Wie immer man zum Latte Macchiato, einem der
jüngsten Exportschlager Italiens in kulinarischer Hinsicht, auch
stehen mag, eines steht auf jeden Fall fest: Ohne die vielfältigen
Zutaten aus dem Land des Stiefels wäre die Berliner Küche
eher ein Hort der Einöde als ein Quell sinnlichen Genusses. Doch
ist, wie man meinen könnte, dieser italienisch-deutsche Transfer
nicht erst eine Entwicklung des letzten Jahrzehnts, sondern, und
darüber informiert das im be.bra verlag erschienene Buch Italien
in Berlin von Gianluca Falanga, schon Friedrich der Große
wußte die italienische Küche sehr zu schätzen. In
großer Liebe zu Italien entbrannt, schaffte er es zwar zeit
seines Lebens nicht, selbst das Land zu bereisen, doch unternahm er im
Gegenzug vielfältige Anstrengungen, um sich „sein" Italien
ins Haus zu holen. Sichtbar zeugen davon heute noch eine ganze Reihe
von Bauwerken, vor allem in Potsdam, und auch das Faible des
Preußenkönigs für die italienische Oper ist bekannt.
Daß Friedrich jedoch auch keine Kosten und Mühen scheute, um
seine Küche mit Leckereien von jenseits der Alpen anzureichern und
er die besten italienischen Köche verpflichtete, die mit
Trüffeln und anderen hierzulande gänzlich unbekannten Dingen
fachgerecht umzugehen wußten, hätte man vielleicht weniger
vermutet. Es existieren sogar noch Speisepläne, so berichtet
Falanga, die dies dokumentieren. Besonders angetan war Friedrich dabei
vom Parmesankäse.
Doch nicht erst mit Friedrich dem Großen beginnt
die Präsenz Italiens und der Italiener hier in Berlin, wir
erfahren aus dem Buch, daß schon ca. 200 Jahre vorher der
brandenburgische Kurfürst Joachim II. beim Bau seiner neuen
Festung in Spandau auf italienisches Know- how zurückgegriffen
hatte, und in der Tat zeigt das noch heute die Bezeichnung
„Zitadelle", die auf das italienische cittadella, kleine Stadt,
zurückgeht.
Waren es anfänglich also vor allem Spezialisten wie
Baumeister, Köche, Opernsängerinnen und Bühnentechniker,
die sich hier aufhielten, wurde Berlin im Lauf der Zeit zunehmend zum
Ziel der einfacheren Leute. Vor allem in der Gründerzeit gab es
einen verstärkten Zuzug vieler ungelernter Arbeiter, die in der
Baubranche tätig waren, mit italienischen Lebensmitteln handelten,
was ihnen die Bezeichnung „Pomeranzenkrämer" einbrachte,
oder mit Drehorgeln durch die Hinterhöfe der Mietskasernen zogen.
1890 wurde den italienischen Musikern die Lizenz jedoch auch gleich
wieder entzogen, um die einheimischen Straßenkünstler zu
schützen.
Akribisch verfolgt Falanga die einzelnen Spuren, die
Italiener und Italienerinnen im Lauf der Jahrhunderte hier in Berlin
hinterlassen haben, sei es als Wirte und Eishersteller, die sich hier
niederließen, sei es als Künstler und Intellektuelle, die
das Berlin der Weimarer Republik anzog. Er erzählt über die
rasante Vervielfältigung italienischen Lebens, die seit den 1950er
Jahren einsetzte und mit Politik und Kultur, Mode und Gastronomie,
Design und Lebensart sowohl Ost- als auch Westberlin prägte und
die Stadt bis heute bereichert.
Auch die Schattenseiten spart Falanga nicht aus, auf die
sichtbar heute nur das italienische Botschaftsgebäude im
Tiergarten zu verweisen scheint: Nach dem Zusammenbruch der von Hitler
und Mussolini geschaffenen „Achse" Berlin-Rom kam es nämlich
zu einer ganz anderen Präsenz von Italienern in Berlin von
den 600000 italienischen Soldaten, die die Wehrmacht gefangen genommen
hatte, wurden 30000 in Berlin interniert, über deren Schicksal er
ausführlich berichtet.
So wird das Buch zu einer spannenden und informativen
Zeitreise; die klare Sprache und der Falanga eigene Stil, komplexe
Zusammenhänge in eine gut lesbare Form zu bringen, tragen
darüber hinaus dazu bei, es zu einer anregenden Lektüre
werden zu lassen. Parmesan fürs Hirn sozusagen.
Carola Köhler
Gianluca Falanga: Italien in Berlin. be.bra verlag, Berlin 2006. 19,90 Euro.