Ausgabe 04 - 2007 berliner stadtzeitung
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Kältere Schichten der Vernunft

Die Autorin Antje Strubel, die sich zur Anregung der Phantasie noch den Zweitnamen Rávic zugelegt hat, ist eine noch nicht allzu bekannte Schriftstellerin der jüngeren Generation. Für diejenigen, die sich mit der Literaturszene beschäftigen, besitzt Strubel aber durchaus Bekanntheit, immerhin hat sie bereits mehrere Literaturpreise abgeräumt. Die Lesung ihres neuen Buchs war entsprechend wohl besucht.

Strubel kann sehr süffig schreiben, ohne banal zu sein; einmal angelesen, legt man ihren kürzlich erschienen Roman Kältere Schichten der Luft nur ungern wieder weg. Am Ende vermittelt er einem das Gefühl, daß er ruhig noch ein bißchen hätte weitergehen können.

Das Buch handelt von der Selbstverortung und -erfindung ausgestoßener Existenzen. In einem Kanucamp in Schweden treffen sich ehemalige DDR-Bürger, denen die Wende keine neue Perspektive bot. Das Camp erscheint dabei als ein Ausweg aus einer aufgabenlosen Existenz. Hier nun trifft die Ich-Erzählerin Anja auf eine geheimnisvolle Schönheit, die ihren Namen nicht preisgibt und auch sonst wenig von ihrer Geschichte erzählt, dafür aber sehr gekonnt Anja in eine Leidenschaft einspinnt. Doch bevor die Leidenschaft entfacht, müssen Fragen der eigenen Identität geklärt werden.

Kunstvoll entwickelt Strubel die Suche nach dem Augenblick des Glücks, der mit zuviel Wissen um die Vergangenheit, die eigene und die der anderen, nicht zu haben ist. Am Ende steht die tödliche Auseinandersetzung mit einem Mitglied des Camps, das die beiden Frauen neidisch beobachtet hat. Die Autorin thematisiert lesbische Beziehungen, die in der Öffentlichkeit latenter Aggressivität ausgesetzt sind. Am Ende entpuppt sich die Geschichte als eine Vision, die sich nicht einlösen läßt. In den kälteren Schichten der Vernunft läßt sich eine anheimelnde Traumvision vom Sein nicht leben.

Inett Kleinmichel

Antje Rávic Strubel: Kältere Schichten der Luft. Roman. S. Fischer Verlag, Frankfurt 2007. 17,90 Euro.

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