Den Bettvorleger REITen
Die Kritik neuer Anlageformen für Immobilien idealisiert den sozialen Wohnungsbau
Als im vergangenen Jahr sich nicht nur in Berlin die
Privatisierungen öffentlicher Wohnungsbestände häuften
und dann hierzulande auch noch ein US-amerikanisches Anlageinstrument
für Immobilien namens REIT eingeführt werden sollte, da
schien es mal wieder soweit: Nicht gleich der Untergang des
Abendlandes, aber doch jener der sozialorientierten Wohnungs- und
Stadtpolitik schien zum Greifen nah. So jedenfalls argumentierten
etwas zugespitzt formuliert Vertreter von Mieterverbänden.
Dabei war damals über die Arbeitsweise der REITs
(Real Estate Investment Trusts) im Vergleich zu anderen Anlageformen
für Immobilien noch recht wenig Konkretes zu erfahren. Nun hat die
Stadtbauwelt eine Ausgabe mit dem Schwerpunktthema „Ware Wohnung"
herausgegeben, die sich nicht nur in lobbyistischen Grabenkämpfen
und Positionsbehauptungen ergeht. Was also steckt hinter dem Wort- bzw.
Abkürzungsungetüm?
Das finanzwirtschaftliche Instrument REIT versucht,
Immobilen am Markt leicht handelbar zu machen. Anders als offene
Immobilienfonds werden REITs als Aktien an der Börse gehandelt und
dürfen sich auf bestimmte Marktsegmente, beispielsweise
Einkaufszentren oder Gewerbehöfe, spezialisieren. Sie eignen sich
gut zur längerfristigen Bewirtschaftung von
Immobilienbeständen.
Nicht zugelassen wurden deutsche REITs allerdings
für Wohnungsbestände, nachdem sich deutlicher Widerstand
dagegen formiert hatte. Man befürchtete, daß das neue
Finanzinstrument den Druck zur renditeorientierten Bewirtschaftung
weiter erhöhen und so über kurz oder lang zu steigenden
Mieten führen würde. Nach wie vor können hiesige
Wohnungen jedoch an die Börsen anderer Länder gebracht
werden, so z.B. als Luxemburger REIT.
Der Widerstand gegen REITs folgt nicht zuletzt aus einem
allgemeinen Rückzugsgefecht gegenüber der massenhaften
Wohnungsprivatisierung. Innerhalb der letzten fünf Jahre wurden in
Berlin fast 30 Prozent der kommunalen Wohnungen verkauft. Und ein Ende
dieses Trends ist bislang nicht abzusehen. Gegner der
Privatisierungswelle sehen die Möglichkeiten zur
sozialorientierten Stadt- und Wohnungspolitik dahinschwinden.
Befürworter argumentieren, daß die zur Disposition stehenden
Unternehmen ebenso hochverschuldet seien wie die kommunalen Haushalte.
Ganz zu schweigen von Wirtschaftsliberalen, die von privaten, d.h.
marktorientierten Verhältnissen ohnehin eine effizientere
Bewirtschaftung erwarten.
Tatsächlich scheinen viele REITs- wie
Privatisierungsgegner die öffentlichen und gemeinnützigen
Wohnungsunternehmen zu idealisieren. Dabei war ihr Bestehen, so wichtig
es für den Aufbau eines sozialorientierten Wohnungsbestandes
gewesen sein mag, von Skandalen und stadtpolitischen
Instrumentalisierungen begleitet. Man denke nur an die Rolle der
kommunalen Wohnungsunternehmen im Rahmen der Kahlschlagsanierung, das
aus Verfilzung und Mißwirtschaft resultierende und exemplarisch
stehende Scheitern der gewerkschaftseigenen Neuen Heimat oder die
oftmals längst erfolgte Abkehr von einer sozialorientierten
Bewirtschaftung der Bestände.
Viele Probleme sind jedoch auch politisch
herbeigeführt worden: So die Belastung der ostdeutschen
Wohnungsgesellschaften mit an den Rande des Ruins bringenden
Altschulden. Oder, sehr beliebt in Berlin, das kräftezehrende
Einspannen der Unternehmen für Vorzeigeprojekte der
Stadtentwicklung oder ihr finanzielles Anzapfen zu haushaltspolitischen
Zwecken.
Nun paßt die Schaffung neuer
privatwirtschaftlicher Anlageformen für Immobilien ins Konzept der
aktuellen Politik. Je besser die finanzwirtschaftlichen Instrumente zur
gewinnbringenden Bewirtschaftung von größeren
Gebäudebeständen geeignet sind, desto mehr wird das
internationale Interesse an der Privatisierung öffentlicher
Bestände wachsen, und um so größere Einnahmen
können Haushaltspolitiker à la Sarrazin erwarten.
Auch wenn es möglich wäre: Ein Abtragen von
kommunalen Schulden durch Privatisierungseinnahmen zwecks fortlaufender
Entlastung von Zins und Tilgung könnte zwar Spielräume
für neue wohnungspolitische Vorhaben schaffen, etwa einen neuen
sozialen Wohnungsbau oder das Absichern niedriger Mieten vorhandener
Wohnungen. Wahrscheinlicher dürfte jedoch sein, daß die
plötzlichen Einnahmen lediglich andauernde Geldverschwendung an
anderer Stelle verdecken.
Sich mit der Kritik nur auf REITs zu stürzen, geht
dagegen oftmals am Problem vorbei: Erst eine neuerliche Verpflichtung
der öffentlichen Wohnungsunternehmen auf soziale Belange,
verbunden mit einer wirksamen Kontrolle ihres Managements, würde
den konsequenten Widerstand gegen Privatisierungen und neue
Anlageformen rechtfertigen. Eine wirkungsvolle Auseinandersetzung
über den Einsatz der erzielten Privatisierungserlöse
stünde ohnehin an.
Tobias Höpner
Stadtbauwelt Nr. 173, März 2007, Schwerpunktthema „Ware Wohnung".