Ausgabe 03 - 2007 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Foto: Uschi Huber

Trostlose Orte im gleichmachenden Sonnenschein

Die Fotografin Uschi Huber

Uschi Hubers Bilder sind Dokumente. Sie zeigen Ausschnitte aus einer Wirklichkeit, die unsere Wirklichkeit ist. Studiert hat Huber Bildhauerei, doch arbeitet sie vorzugsweise mit dem Medium der Fotografie, gelegentlich auch mit Film und Video. Es sind thematische Bildserien, visuell geführte systematische Beobachtungen, aus denen komplexe Erkenntnisse gewonnen werden können. Sie konzentriert sich auf Themen wie Peripherie (1999), Autobahn (2000) und Anlagen (2006), in denen sie Randzonen des Lebens in der Industriegesellschaft beschreibt. Diese drei Themenkomplexe beschreiben Orte, die durch ihren Gebrauchswert definiert werden und dadurch eine Art Zwischenbereich unserer urbanen Existenz bilden. Von solchen Motiven entströmt unweigerlich etwas Trostloses, Unwirtliches.

Huber ist sich der unheimlichen Aspekte ihrer Bildmotive durchaus bewußt, wenngleich sie diese nicht ins Zentrum ihrer Arbeit stellt. Sie versucht, einen deprimierenden Eindruck zu vermeiden, indem sie ganz neutral ihre Motive vor allem im gleichmachenden Sonnenschein zeigt. Man riecht geradezu die saubere Luft des frühen Morgens, die Huber eingeatmet hat, als sie sich zu Fuß auf die Erkundung ihrer Motive gemacht hat. Der Schnappschußcharakter ihrer Aufnahmen ist eine Folge ihrer Arbeitsweise, denn sie vermeidet es, durch „kunstvolle" Kompositionen ihr Können offen zur Schau zu stellen.

Wo in Peripherie das Nebeneinander von Gebäuden, Straßen und Grünflächen thematisiert wird, kommt es in dem Autobahn-Projekt zu einem Aufeinandertreffen von Architektur und Landschaft. Die Örtlichkeit Autobahn wirkt viel aufgeräumter als die Peripherie, wohl weil sie nur Durchgangsstation und nicht Aufenthaltsort ist. Ironischerweise lesen sich auch die Auszüge aus „Planung und Ausführung von Gestaltungselementen für den Autobahnbau", die im Anhang des Buches wiedergegeben sind, wie moderne Lyrik: „gefahrlos, hygienisch, formschön, diebstahlsicher, selbstreinigend, wetterfest, verschleißfest, bruchfest, rostfrei." Hubers Fotos der Autobahn-Realität zeigen, wie Planung auf Landschaft trifft und wie anders dies funktioniert als in der Peripherie.

Bei den Anlagen, die sie über einen Zeitraum von 5 Jahren besucht hat, handelt es sich um Urlaubsorte an der Costa del Sol, auf Lanzarote und im israelischen Eilat, die sie bedächtig erkundet hat. Gerade diese Bilder wirken durch das Aufeinandertreffen von klotziger Architektur mit fragmentarischen Naturresten wie ein Resümee der beiden vorangegangenen Projekte: Mit dem Auto verlassen wir unsere Vorstädte, um über Autobahnen in Urlaubsorten zu landen, um Erholung zu finden. Aber die Orte, die Erholung zu bieten scheinen, wirken fremdartig und seelenlos.

Eine Ergänzung zu ihrer eigenen fotografischen Arbeit findet Huber in der Fotozeitschrift Ohio, die sie seit 1995 zusammen mit Jörg Paul Janka herausgibt. Eines der Ziele des Projekts Ohio ist es, ein Forum für unterschiedlichste fotografische Ideen zu schaffen und dabei auch jene sichtbar zu machen, die an keinem anderen Ort präsentiert werden und somit sonst keine Öffentlichkeit haben. Fotografisches Bildmaterial wird aus verschiedensten Quellen ohne Rücksicht auf gängige Genreeinteilungen versammelt und zusammengestellt. Bilder aus dem Privaten, aus institutionellen Archiven, aus der Tagespresse, der Werbung oder aus dem Internet, ebenso wie Künstlerbeiträge sind nur ein kleiner Ausschnitt der in Ohio gezeigten Bilderwelten. Der Schwerpunkt in Ohio liegt im Vertrauen auf das Bild selbst.

Peripherie, Autobahn, Anlagen behandeln Örtlichkeiten, deren Wesen durch Funktion, Nützlichkeit und Brauchbarkeit bestimmt werden. In den Fotografien, die Huber davon macht, steckt die Frage, welche soziale Funktion diese Örtlichkeiten haben, und welche Gesellschaft solche Örtlichkeiten hervorbringt? Vorstädte, Transitzonen und Urlaubszonen: Wachsende Bereiche unseres Lebens finden in Übergangsbereichen statt, ohne daß wir diese bewußt wahrnehmen. Huber zeigt diese architektonischen und geographischen Zwischenbereiche nüchtern und neutral. Ihre Fotos beschreiben eine Gegenwart, die wie ein Schattenland der zeitgenössischen Gesellschaft wirkt.

Michael Freerix

EUschi Huber: Anlagen. Richter-Verlag, Düsseldorf 2006.

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