Ausgabe 03 - 2007 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Mischer

Als die Welt noch einfach und die Musikstile überschaubar waren, waren 4 Hero die Superhelden des Drum&Bass. Superhelden deswegen, weil sie immer einen Schritt voraus waren. Sie ignorierten die musikalischen Reinheitsgebote, öffneten sich für unterschiedliche Stile und spielten mit komplexen Rhythmen, die jenseits der straighten Jungle- oder Drum&Bass-Welten lagen. Play with the Changes (PIAS) ist der programmatische Titel des neuen Albums. Dabei haben sie den Wechsel so weit getrieben, daß von Drum&Bass kaum noch etwas über geblieben ist. Tanzfläche war gestern, Wohnzimmer ist heute. Alles ist weich und soulig, Songstrukturen anstelle von Dancefloor-Tracks. Wohlwollend könnte man schreiben, daß das alles super stylish ist, wahnsinnig raffiniert und irgendwie auch sexy, denn schließlich rangiert die Musik doch auf elegantem Midtempo-Beat mit jazzigem Einschlag. Ganz nüchtern könnte man aber auch schreiben: Irgendwie langweilig und überambitioniert.

Up, Bustle & Out sind auch so Soundtüftler und gehörten mit zu den ersten Acts des Ninja-Tune-Labels, das für geschmeidige elektronische Stilüberschneidungen verantwortlich ist. Mit den Mexican Sessions liegt nun das insgesamt achte Album vor. Im Gegensatz zu 4 Hero sind sich die Klangmischer aus Bristol bei ihrem wilden Sound und Feldstudien treu geblieben: dem Dub. Für die Mexican Sessions, dem zweiten Album auf dem Hamburger Label Collision, führte ihr Weg von England über Mexiko nach New York und Puerto Rico und ­ natürlich ­ Jamaika. Dabei saugten sie alle musikalischen Einflüsse auf, die ihnen auf der Reise begegneten. Die vielleicht größte Leistung dabei ist, daß das Album nicht auseinanderfällt und nicht zu einem langweiligen Best-Of-World-Music verkommt. Allerdings hätte es durchaus etwas weniger Dub und dafür mehr Avantgarde-Elektronik sein dürfen.

Zum Schluß ein Künstler, den man eigentlich nicht mehr vorstellen muß: Jan Delay. Auf Searching – The Dubs (Echo Beach) passiert nun etwas ganz Seltsames: Der Hamburger Styler und Rhymer hält die Klappe. Na ja, fast – der Gesang ist größtenteils weggecuttet, und mit ordentlich Hall und zusätzlichen Effekten sind nur die Riddims des 2001er Albums Searching for the Jan Soul Rebels zu hören. Wer von der Stimme Jan Delays schon immer genervt war, wird seine Freude an dem Album haben. Und alle anderen? Zurücklehnen und die neue Coolness genießen. Wirklich aufregend ist an dem Album nämlich nichts. Das ist sowohl das Geniale und gleichzeitig die Enttäuschung beim Hören – denn die Melodien waren schon 2001 sehr smart und entfalten gedubbt nun ihre ganze Größe. Die Bläsersätze sind platt, und so pluckern die acht Songs dicht und geschmeidig vor sich hin, nur bewegt sich das alles insgesamt so eng an den Originalen, daß ein wenig mehr soundtechnischer Größenwahnsinn nicht geschadet hätte.

Marcus Peter

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
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