Ausgabe 02 - 2007 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Die Porno-Affäre

Alexander M. ist gescheitert ­ als Politiker und als Schauspieler

Illustration: Katharina Greve

„In der Politik und in der Liebe ist alles erlaubt." So verteidigen sich die Anstandslosen, wenn sie sich wieder ihrer zweifelhaften Mittelchen für das Erreichen ihrer Ziele bedienen. Der Kreuzberger CDU-Politiker Alexander M. verstrickte sich unfreiwillig, wenn auch nicht wirklich überraschend, ins Intrigenspiel um Macht und Sex. Nein, er hat sich nicht hochgeschlafen. Nur Naivität kann man ihm vorhalten. Die gefilmten Gruppensexorgien, in denen er auftauchte, sind im DVD-Verleih erhältlich. Zwar schon seit Jahren, aber irgendwie ist das niemandem aufgefallen. Erst als das langjährige CDU-Mitglied Vorsitzender des Kreisverbandes Friedrichshain-Kreuzberg werden wollte, begann die Schmuddellawine zu rollen. Eine pikante DVD tauchte just in diesem Moment auf. Das erinnert doch gleich an südländische Verfahrensweisen der Schwesterpartei.

Ein Stoiber erkundigt sich nach den sexuellen Vorlieben der Frau Pauli, um diesbezügliche Informationen gegebenenfalls gegen sie verwenden zu können, Seehofers Geliebte wird aus dem Keller gekramt, obwohl sie schon seit Jahren im Vorgarten spaziert. Vielleicht wäre Alexander M. bei der CSU mit ihrer lockeren Tugend toleranter behandelt worden. Dafür spricht nicht nur der Fall Seehofer, sondern auch die Geschichten um Franz-Josef Strauß (dem im New York mal die Brieftasche von einer Hure gestohlen wurde) und Dagmar Wöhrl. 1973 spielte sie in einer Erotikkomödie mit dem unmißverständlichen Titel Die Stoßburg ­ Wenn nachts die Keuschheitsgürtel klappern. Heute ist Wöhrl Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie. Beider Karriere in der CSU tat dies keinen Abbruch. Auch in anderen Parteien ist von Puffbesuchen und Prostituiertenbestellungen zu hören.

Anders sieht es in dem sonst so alternativen Friedrichshain-Kreuzberg aus. Parteiintern kam die Affäre Ende Dezember ans Licht, innerhalb weniger Tage hatte sich Alexander M. dem Druck gebeugt und trat aus der Partei aus. Dazu hatte ihn CDU-Kreischef Kurt Wansner aufgefordert, da dieser „Film nicht mit den Wertevorstellungen der CDU" übereinstimme. Der zeitliche Zusammenhang mit den innerparteilichen Wahlen der neuen Ortsvorstände ist unübersehbar. Wansner, der den Kreis seit sechs Jahren führt, bewirbt sich erneut als Vorsitzender. Hobbydarsteller Alexander M. gehörte zu der Oppositionsgruppe um Wolfgang Przewieslik, die Wansner Schuld an dem miserablen Ergebnis von 8,7 Prozent der Bezirks-CDU bei der letzten Wahl gibt. Die Kritiker sehen in der Veröffentlichung ein abgekartetes Spiel, um die Wansner Widersacher auszuschalten.

Der Mediziner Alexander M. selbst sieht sich als Mobbing-Opfer, der Kreisvorstand habe ihn mit dem Lancieren der Geschichte als „Opponenten ausschalten" wollen. Er kann die ganze Diskussion um seine „Privatsache" nicht verstehen und vermißt eine politische Auseinandersetzung mit dem Thema: „Millionen Männer und Frauen in Deutschland konsumieren Pornos. Deshalb ist die ganze Diskussion doch bigott!" Und offensichtlich habe sich ein CDU-Kollege den Film angeschaut. Daß der Film eines Tages gegen ihn verwendet werden könnte, daß damit innerparteilich Politik gemacht würde, das hätte er nie für möglich gehalten. Schließlich sei es die schleswig-holsteinische CDU gewesen, die Beate Uhse für das Bundesverdienstkreuz vorgeschlagen habe. Und die habe viel härtere Pornos verkauft als jene, in denen er mitspiele.

Mit Bezug auf die ausschlaggebende DVD Beauty Gang schrieb die BZ in Blockbuchstaben „Politiker Alexander M. (52) hat in einem knallharten Porno-Film mitgespielt!" und rätselt, ob es weitere Pornos mit ihm gibt. scheinschlag hat recherchiert. Ja, gibt es. Z.B. Der Duft der Lust von Magmafilm, und auch bei der Berliner Produktionsfirma Inflagranti ist Alexander M. kein Unbekannter. Allerdings sollte man „mitspielen" wirklich spielerisch und keinesfalls künstlerisch verstehen. In den Amateur-Formaten wird nicht geschauspielert, es wird gevögelt. Dabei läuft eine Kamera oder auch zwei. In der frivolen Glücksrad-Imitation Popp oder Topp sammeln die Mitspieler Punkte, indem sie die Wünsche der anderen erfüllen. Alexander M. bringt seine Freundin mit. In dem Streifen Gang Bang! muß der Kameramann den Jungs erst noch sagen, wie sie den Blick auf das Wesentliche nicht verdecken. Doch der braucht auch nicht so zu tönen, er steht oft selber im Weg und fängt blödsinnige Gespräche mit der Darstellerin an, die mit vollem Mund nicht sprechen kann. Aber was soll's! Sie wollen Spaß haben. Auch an der Optik wird nichts geschönt: Hängesäcke, dicke Bäuche, picklige Rücken und Ärsche rücken ins Bild. Auch Alexander M.'s 52 Jahre alter Körper wird nicht rasiert, gebräunt oder gestählt. Nur einem Test wird er regelmäßig unterzogen, hoffen wir.

Berta Globig

„Gang Bang! Frechen Girls das Maul gestopft!", Inflagranti. 90 Minuten.

„Popp oder Topp. Das Live Sex-Spiel", Inflagranti. 90 Minuten.

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