Ausgabe 02 - 2007 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Wenn das Wirtschaftsamt dreimal klingelt ...

Das Recht ist auf der Seite der kommerziellen Gastronomie

Die Aufregung war groß: Nach dem gescheiterten Versuch des Wirtschaftsamtes Mitte, mit Amtshilfe der Polizei den seit sieben Jahren bestehenden Club „Koma F" im Hausprojekt Köpenicker Straße 137 zu schließen, schäumte die Presse ob des Dilettantismus der beteiligten Behörden. Diese ruderten hernach zurück und kündigten an, vorerst keine weiteren „Maßnahmen" gegen das Koma F und die anderen Veranstaltungsräume in dem Gebäudekomplex zu ergreifen. Doch die Ruhe könnte sich als trügerisch erweisen, wenn man die Erfahrungen ähnlicher Veranstaltungsorte betrachtet. Denn sobald die Wirtschaftsämter mutmaßliche Betreiber einer nicht angemeldeten Gastronomieeinrichtung im Visier haben, werden normalerweise erst einmal kontinuierlich steigende Bußgeldbescheide verschickt – eine polizeiliche Schließung ist nur das letzte Mittel.

Der mißglückte Einsatz in der „Köpi" wirft ein Schlaglicht auf eine Entwicklung, in der sich der Verfolgungsdruck auf halb- und illegale Veranstaltungsorte in den letzten Jahren kontinuierlich erhöht hat. Die Luft wird für jene subkulturellen Kreise, die nach der Wende gewollt oder ungewollt den Ruf Ostberlins als trendige „Szenehauptstadt" begründeten und den heute massenhaft existierenden kommerziellen „Locations" den Weg ebneten, immer dünner. Die Betreiber von illegalen, aber ebenfalls eher kommerziell ausgerichteten Party- und Gastronomieprojekten haben immerhin noch die Möglichkeit, die Räumlichkeiten nach einer „Aufdeckung" der Aktivitäten zu verlassen und neue Örtlichkeiten zu suchen. Diese „Fluchtmöglichkeit" bleibt aber den in ehemals besetzten Häusern angesiedelten soziokulturellen Projekten versperrt. Sie geraten daher dauerhaft ins Visier der Ordnungshüter, und es dürfte mittlerweile wohl keinen derartigen Veranstaltungsort mehr geben, der nicht die unangenehme Bekanntschaft des zuständigen Wirtschaftsamtes gemacht hätte.

Das zentrale Problem hierbei ist, daß die auf einen kommerziellen Wirtschaftsbereich zugeschnittenen Rechtsnormen solchen Strukturen aufgezwungen werden sollen, die sich als Gegenpol zur herkömmlichen Gastronomie- und Kneipenszene verstehen. So sind die einschlägigen nicht gewinnorientierten Veranstaltungsorte der Teil der linken politischen Szene der Stadt, der durch Solidaritätsveranstaltungen der Finanzierung von Projekten und Kampagnen dient. Häufig werden die Einnahmen auch in den Erhalt und Ausbau der eigenen Infrastruktur gesteckt. Organisatorisch getragen werden sie zumeist von mehr oder minder losen Kollektiven. Eine für den Erhalt von Betriebserlaubnis und Schankgenehmigung erforderliche Benennung von „Geschäftsführern" bzw. juristisch verantwortlichen Einzelpersonen sowie die Forderung nach für die Finanzämter notwendigen Buchführungsstandards und Steuererklärungsmodalitäten stoßen vor diesem Hintergrund auf wenig Verständnis.

Ein oft noch gewichtigeres Hindernis für eine Legalisierung stellen auch die hierfür notwendigen baulichen Anforderungen dar. Während die Einrichtung von Lüftungsanlagen nur kostspielig ist, sind die für eine Realisierung von „genehmigungsfähigen" sanitär-, lärmschutz- und sicherheitstechnischen Standards notwendigen Umbauten oft schlicht nicht möglich. Eine Lösung der schwelenden Konflikte kann eigentlich nur in Ausnahmegenehmigungen bestehen, die dem speziellen Charakter der soziokulturellen Veranstaltungsorte gerecht werden. Hierfür aber bedarf es eines entsprechenden politischen Willens seitens der Bezirksämter ­ und ein solcher ist derzeit nicht zu erkennen.

Thorsten Friedrich

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
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