Ausgabe 02 - 2007 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Die kurze Zeit der Euphorie

Das RAW-Gelände in Friedrichshain wechselt den Besitzer

Es waren zwei kurze Wochen, die für das sogenannte Revaler Viereck, besser bekannt als RAW-Gelände, Entspannung bedeuteten. Mitte Januar wurde überraschend bekannt, daß das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg den Bebauungsplan für das Gelände an der Warschauer Straße endgültig verwirft. Dieser Plan hatte die alternative Entwicklung der ehemaligen Bahnanlage jahrelang blockiert, weil in ihm große Einzelhandelsflächen festgeschrieben waren. Daß der gültige Bebauungsplan gekippt wurde, war schon eine kleine Sensation, gerade weil die Eigentümerin, die Bahn-Tochter Vivico, gerade mehrere Kapitalanleger für das kommerzielle Verwertungskonzept gefunden hatte.

Alle Macht den Projekten? Davon konnte man zwei Wochen lang träumen. Lang gehegte Ideen, was man mit den riesigen Hallen machen könnte, rückten in greifbare Nähe: etwa Campen in alten Gemäuern, unter freiem Himmel und mit viel Platz für Artistik und alternative Kultur. Ende Januar war der Traum schon wieder aus. Die Vivico signalisierte den bevorstehenden Verkauf des gesamten Areals an einen der Bieter. Mit der bekannten Gutsherrenart, unter der die Betreibervereine jahrelang gelitten haben, verscherbelt die Vivico einen öffentlichen Stadtbereich. Auch wenn sie sich gern als unabhängiges Immobilienunternehmen gibt, verwaltet die Gesellschaft Bahngrundstücke, also öffentliches Eigentum. Nach dem Kippen des Bebauungsplans war man dort offensichtlich beleidigt. Mit dem umgehenden Verkauf zu antworten, läßt wieder einmal auf das zweifelhafte Verantwortungsbewußtsein der Vivico schließen.

Was dies für die kulturelle Entwicklung des ehemaligen „Reichsbahnausbesserungswerkes" bedeutet, läßt sich erahnen. Eine Neuauflage der Diskussion über die Vor- und Nachteile von Supermärkten, die autogerechte Erschließung des Geländes und hochpreisige Kulturangebote ist abzusehen. Oder auch ein neues Kauf- und Verkaufsdrama, wie es das ehemalige Rundfunkgelände am Rummelsburger Spreeufer erlebt.

Carsten Joost

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
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