Ausgabe 01 - 2007 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Vom Verglühen eines Energieriesen

Als die Mitarbeiter von Enron an einem Januarmorgen des Jahres 2002 die Nachricht erhielten, sie hätten innerhalb einer halben Stunde ihren Arbeitsplatz zu räumen, waren sie eigentlich schon darauf vorbereitet. Einen Monat zuvor hatte der Energieriese bereits Konkurs angemeldet. Viele fragten sich erst zu diesem Zeitpunkt, was mit der einst so erfolgreichen Firma passiert war. Mehr als 20000 Menschen standen plötzlich auf der Straße.

Das Firmenmotto „Ask Why" hatte bis dahin kaum jemand auf den Betrieb bezogen, abgesehen von ein paar engagierten Journalisten wie der Fortune-Redakteurin Bethany McLean. Sie hatte einige Monate zuvor durch eine scheinbar harmlose Reportage den Stein ins Rollen gebracht, der das Kartenhaus Enron schließlich zusammenfallen ließ. Während des Gerichtsprozesses gegen die ehemaligen Firmenchefs kam nach und nach heraus, daß die hohen Gewinne nur durch Scheinfirmen, Bilanzfälschungen und Spekulationen zustande gekommen waren. Und daß die Firma eigentlich schon viel länger pleite war. Hätten die einfachen Mitarbeiter das gewußt, hätten sie sicher nicht ihr gesamtes Vermögen in Aktien oder Pensionsfonds der Firma investiert. Die waren faktisch Altpapier. Die klugen Jungs ­ die smart guys ­ an der Spitze hatten ihre Konten natürlich rechtzeitig gefüllt.

Der Dokumentarfilmer Alex Gibney schildert in Enron – The Smartest Guys in the Room, wie es zum kometenhaften Aufstieg der Energiefirma kam und warum sie bankrott ging. Dazu hat er akribisch recherchiert und viele Zeitzeugen befragt, wie die besagte Journalistin McLean, die auch Coautorin eines gleichnamigen Buches ist. Hinzu kommen noch aufschlußreiche Interviews mit ehemaligen Enron-Mitarbeitern und viele Archivaufnahmen, die der Regisseur geschickt miteinander verknüpft. Herausgekommen ist ein schneller, informativer und spannender Wirtschaftskrimi, dem man auch folgen kann, wenn man von Ökonomie nichts versteht.

ib

„Enron – The Smartest Guys in the Room" (USA 2005). Regie: Alex Gibney. Die deutsche Fassung ist jetzt im Kino zu sehen.

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