Ausgabe 10 - 2006 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Jeder hat seine eigene Schönheit

Daniel Schmude ­ ein Fotograf zwischen Anspruch und Realität

Der Fotokünstler Daniel Schmude betreibt mit seiner Geschäftspartnerin Jette Rink seit einem Jahr den Laden „Launch.fotodesign" in der Wichertstraße 69 in Prenzlauer Berg. Während er auf Kundschaft wartet, produziert er eigene Kunst, die er mittlerweile auch schon im Café Moskau und im Auswärtigen Amt ausstellte. Ab 2007 wird er den Fotoladen auch als Galerie für Maler und Fotokünstler öffnen.

Helle Räume. Von den Wänden schauen freundliche Gesichter. Verschiedene Hautfarben, verschiedenes Alter. Fotografische Porträts in Hochformat. Der Blick wird eingefangen von einem farbigen Kunstwerk direkt gegenüber der Eingangstür. Ein Farbklecks im stilisierten Schwarz-weiß. Löst sich der Blick und wandert hinunter zu den beiden Schreibtischen, trifft er das Gesicht von Daniel Schmude, Berliner, Künstler, Fotograf. Schon mit seiner Außenwerbung, den Gesichtern, die von der Hauswand den Passanten betrachten, oder die junge Frau, die im Aufsteller per Augenzeig den Weg zur Eingangtür weist, wird signalisiert: Hier wird porträtiert.

„Ich hätte nie gedacht, mal einen Fotoladen zu haben. Schon gar nicht in Ostberlin." Sagt einer, der zur Zeit der Wende zwölf Jahre alt war und in dessen Erinnerung an den November des Jahres 1989 die Massen, die seinen Schulweg säumten, wieder vor sein geistiges Auge treten. „So viele Menschen, so andere Gesichter, so andere Kleidung." Ohne tiefere Bindungen zum Osten, erkundete er diese Teile der Stadt erst später, im Erwachsenenalter.

Er ist Neuköllner, in der Gropiusstadt aufgewachsen. Diese hat er natürlich auch schon in einer Fotoserie festgehalten. „Da bin ich groß geworden, da lebe ich heute noch. Das ist meine Heimat." Seine ausgesprochen große Familie lebt im Umkreis von wenigen Kilometern. Seine Mutter hatte neun Geschwister und sein Vater sieben. Dementsprechend viele Cousins und Cousinen trifft er täglich. Sie hat er natürlich auch schon alle fotografiert.

In seiner Kindheit sammelte er alle Familienfotos in einer großen Schublade. Und holte sie bei jeder Gelegenheit heraus, um sie anzusehen, zu zeigen, zu kommentieren. Bis er selber zur Kamera griff. Seine Lust auf Fotografie konnte er im Fotokurs des Jugendclubs stillen. Dort befaßte er sich fast ausschließlich mit Menschen, mit Gesichtern. Er lernte den Umgang mit der Kamera, mit den Objektiven, Filme entwickeln, Bilder stilisieren. Lernte Licht zu setzen und Atmosphäre zu schaffen, schärfte seinen Blick für Facetten, Farben, Formen.

Menschen faszinieren ihn seit jeher. Die verschiedenen Proportionen und Nuancen, durch die sich alle unterscheiden und doch auch ähneln. Daß jeder Mensch schön aussehen kann. Früher, als er zeichnete, ärgerte er sich darüber, nicht so dicht herankommen zu können ans Original. Die Bilder sahen doch anders aus. Mit der Kamera kann er jedes Detail und den Variationsreichtum festhalten. „Jeder hat seine eigene Schönheit, die ich einfangen will."

Er kam lange nicht auf den Gedanken, daß er mit seinem Hobby Geld verdienen kann. Erst fing er verschiedene andere Ausbildungen an, wollte Entbindungspfleger, dann Erzieher werden. Kurz vor dem Abschluß wagte er den Schritt, die Ausbildung zu schmeißen, Schüler-BAföG zu beantragen, um die Fotodesignausbildung zu finanzieren. Im Rahmen dieser Ausbildung sollte er auch Architektur fotografieren. „Ich habe mich für die Gropiusstadt entschieden." Die Plattenbauten waren in den 60er Jahren eine Lösung für die Westberliner Wohnungsnot. „Die Gropiusstadt ist im Grunde ein ganz großer Park mit wenigen großen Straßen. Die Hochhäuser bieten Platz für viele Menschen, die nicht im tristen Grau leben müssen. Ich wohne gerne da. Es gibt keinen Verkehrsstreß, die Leute, größtenteils Familien, sind leise. Ich gehe nach Hause und habe meine Ruhe."

Das ist ein Kontrast zu Prenzlauer Berg. In der Wichertstraße geht er in seinen Fotoladen arbeiten. Ein anderer Menschenschlag bevölkert die urbanen Straßen, viel jünger und hipper als in der Gropiusstadt. „Deswegen passen wir auch ganz gut in den Prenzlauer Berg", meint Schmude hintersinnig.

Richtig laufen tut der Laden noch nicht. Peu à peu ein bißchen besser, aber besonders in den Anfangsmonaten wurde ihm nicht gerade die Tür eingerannt. Er sah sich konfrontiert mit der Situation, wenige Kunden zu haben, aber auch kein Geld für effektive Werbung. In dieser Zeit zog er sich in sein Studio zurück und fotografierte für eigene Projekte. Zum Beispiel eine Serie von Männerakten, die zur Zeit in einer Galerie in Bautzen ausgestellt wird. Durch die Farbgebung in Sepia haben alle Männer, die verschiedenen Nationen entstammen, den gleichen Hautton. „Um zu zeigen, wir sind alle gleich."

Der Anspruch des Fotoladens ist, in naher Zukunft den Lebensunterhalt von Schmude und Rink zu sichern. Mit ihren moderaten Preisen sprechen sie Normalverbraucher an. „Wir wollen, daß jeder sich schöne Bilder von sich selbst leisten kann." Die Tatsache, daß ihnen bereits ein Poster von der Hauswand geklaut wurde, wertet Schmude als Kompliment für seine Kunst. (Wünscht sich aber keine Nachahmungstäter.)

Der Großteil der Kundschaft fragt nach eigenen Porträts und Aktfotografie. Da kann Schmude seine künstlerischen Ambitionen einbringen, seinen Blick für Ästhetik, für Wirkung. Bei Bewerbungsbildern nimmt er sich eher zurück, rät trotzdem zu einer eher individuellen Selbstpräsentation durch das Spielen mit den Formaten, Hintergründen und Farbtönen. Das zufriedene Lächeln der Leute, wenn sie ihre eigenen Bilder betrachten, hält er für unbezahlbar. „Sie sehen sich jeden Tag im Spiegel, aber plötzlich sehen sie sich ganz anders ­ und finden sich schön."

Am schönsten sind Menschen im Zustand der Entspannung. Und das ist Schmude wichtig. Die Maxime seiner Arbeit ist eben das ästhetisch vollkommene Bild. Er berät hin zu einer vorteilhaften Kleidung, einem Licht, das die Vorzüge betont, formvollendeten Posen. Die kleinen Details werden später mit Photoshop perfektioniert. Der einfühlsame Umgang mit Menschen, die nicht oft vor der Kamera stehen, und deren Befindlichkeiten, darf bei dieser sehr engen Zusammenarbeit nicht unterschätzt werden. Die Gabe schiebt er auf seine Ausbildung zum Erzieher. Vielleicht wurde sie ihm aber auch in die Wiege gelegt. „Manchmal muß ich helfen, leiten, Mut machen." Er zeigt die Bilder und erklärt deren Wirkung, dann wird meist noch mal dran gearbeitet.

Ganz anders muß er herangehen, wenn er als Eventfotograf Aufträge bei Symposien oder Hochzeiten erledigt. „Da muß ich mich so unsichtbar wie möglich machen." Die Leute sollen nicht gestört, nicht abgelenkt werden, damit er die Stimmung einfangen kann. Auch wenn er diese Arbeitsweise nicht ganz so gerne hat, freut er sich über jeden Auftrag. Weiß er doch, mit dem Geld kann er sich wieder mehr seiner Kunst widmen.

Für das Jahr 2007 ist Schmude gespannt, wie die Öffnung des Ladens als Galerie für Berliner Künstler angenommen wird.

Sonja John

www.launchfotodesign.com

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
Ausgabe 10 - 2006 © scheinschlag 2006