Ausgabe 10 - 2006 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Anders als das täglich Hingenommene

Gerhard Wolf hat sich ja immer schon nicht nur als Essayist und Literaturkritiker verstanden, sondern als Förderer und Vermittler „neuer und vor allem origineller Autoren". Früher tat er das in seiner Funktion als Lektor und Herausgeber beim Mitteldeutschen Verlag und beim Aufbau-Verlag, als er Autoren, die von den DDR-Kulturfunktionären beargwöhnt wurden, eine Plattform bot: Volker Braun, Adolf Endler, Uwe Greßmann, Sarah und Rainer Kirsch oder später in den 80er Jahren den Protagonisten der nicht nur im Prenzlauer Berg aktiven subkulturellen Literatur- und Kunstszene (Bert Papenfuß, Uwe Kolbe, Durs Grünbein usw.). Heute verfolgt er seine Intention mit dem 1990 von ihm gegründeten Verlag Janus Press.

Die Akademie der Künste gewährt nun einen Einblick in das umfangreiche Archiv Wolfs, das nicht nur Manuskripte und Briefkorrespondenzen aus seiner Zeit als Lektor umfaßt, sondern auch eine beeindruckende Sammlung bibliophiler Künstlerbücher, Lyrik-Grafik-Editionen, im Eigenverlag und nur in Kleinstauflagen publizierter Zeitschriften, die im letzten DDR-Jahrzehnt abseits des staatlich reglementierten Verlags- und Kulturbetriebs entstanden. Dieser wohl einmaligen Sammlung widmet die Ausstellung einen besonderen Schwerpunkt. Sie zeigt die in spartenübergreifender Zusammenarbeit entstandenen Sprach-Kunst-Werke und dokumentiert das Selbstverständnis einer Autorengeneration, die von der DDR schon Abschied genommen hatte, bevor diese unterging, die sich anders, zügellos gerierte, „weil", von Wolf wie als ein Credo für jene neue, originelle Kunst formuliert, „für sie ihr Sein anders sein muß, als das täglich hingenommene: Was sein muß, muß sein."

Sabine Goes

Die Ausstellung „In zügelloser

Sprache. Ein-Blick in die Sammlung Gerhard Wolf" ist noch bis zum 21. Januar in der Akademie der Künste,

Pariser Platz 4, Mitte zu sehen.

Geöffnet: Di bis So 11 bis 20 Uhr,

Eintritt: 3 Euro, ermäßigt 2

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