Ausgabe 10 - 2006 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Mit besonderer Form- und Farbgebung

Berliner U-Bahnlinien (VII): die U7

Sie ist Berlins längste U-Bahnlinie – mit knapp 32 Kilometern dauert es ungefähr eine Stunde, um von Endstation Rathaus Spandau bis Endstation Rudow zu fahren. Als West-Berlin noch Frontstadt war, galt es, die DDR-S-Bahn zu boykottieren. So schlängelt sich die hellblaue Linie vom Nordwesten der Stadt bis in den Südosten. Hier wird eine mögliche Verlängerung bis zum Flughafen Schönefeld immer wahrscheinlicher. Im Norden ist eine Verbindung bis nach Staaken „längerfristig" möglich.

Die Bahnhöfe der Linie 7 spiegeln die architektonischen Vorlieben und Visionen von Rainer Erich Gerhard Rümmler (1929-2004) wieder. Nach Rümmlers Ernennung zum Oberbaurat des West-Berliner Senats 1964 fielen Verkehrsbaumaßnahmen in sein Ressort; er gestaltete die meisten der in der Zeit bis zu seinem Tod entstandenen U-Bahnhöfe.

Das heißt jedoch nicht, daß sie alle gleich oder überhaupt ähnlich aussähen ­ da der Architekt versuchte, jeweils Assoziationen mit dem jeweiligen Ort oder Bahnhofsnamen zu wecken. In der Anfangsphase seines Wirkens ging Rümmler ­ im Vergleich zu seinem späteren Werk ­ relativ vorsichtig vor. An den Bahnsteigen der Eisenacher Straße (1971) dominieren Asbestzementplatten in der Farbe grün (die Wälder Thüringens versinnbildlichend), am Nachbarbahnhof Bayerischer Platz strahlt es blau und weiß. Aber diese Nüchternheit, die an die U-Bahn-Bauten der 20er Jahre seines Vorgängers Alfred Grenander erinnert, war schnell Vergangenheit. Die Ausstattung der U-Bahnhöfe konnte „seit Ende der 60er Jahre individueller mit jeweils besonderer Form- und Farbgebung erfolgen" ­ so der Katalog der Ausstellung S- und U-Bahn Architektur in Berlin aus dem Jahr 1985.

Mehrere Exemplare der „besonderen Form und Farbgebung" Rümmlers sind an der U7 sichtbar. Das ist allerdings etwas untertrieben ­ sie sind nicht nur sichtbar: Wenn die Lichtverhältnisse mitspielen, sind sie überhaupt nicht zu übersehen. An der Konstanzer Straße (1978) wurden die Wände in orangen Tönen gestreift und gekachelt, an der Wilmersdorfer Straße (1978) bereiten die orangen, gelben und grauen Fliesen Kopfschmerzen, wenn man zu genau hinguckt. Auf dem in ähnlichem Stil gestalteten Bahnhof Jungfernheide (1980) sieht man entweder einen Bundes- oder sonstigen Adler bzw. blumige Motive, je nach Blickwinkel.

Angenehmer wirken die Stationen Siemensdamm und Rohrdamm (beide 1980). Immer noch stilistisch unverkennbar die 1970er, präsentierte Rümmler hier Darstellungen technischer Errungenschaften. Siemensdamm, nicht nur Bahnhofsgebäude, sondern auch als „Großschutzraum" für 4500 Personen gebaut, wurde mit Motiven aus der Geschichte der namensgebenden Firma geschmückt. Den Rohrdamm zieren Darstellungen der Wasserwerke in rot, silber und gelb. Trotz der bunten Farben wirken diese Stationen fast ausnahmslos dunkel und eng. Aus diesem Grund werden sie nach und nach renoviert, wie auch der Bahnhof Adenauerplatz, wo nicht nur der dunkle Bodenbelag, sondern auch Rümmlers Design ersetzt wurde.

Die Bahnhöfe aus der letzten Verlängerungsphase der U7, zwischen Paulsternstraße und Spandau (1984), sind ebenfalls Kinder ihrer Zeit. Weniger rot, kein orange, mehr Licht ­ die Gestaltung hier, insbesondere an den beiden Spandauer U-Bahnhöfen, deutet an, daß die BVG zu dieser Zeit so viel Geld in der Kasse hatte, daß es den Verantwortlichen völlig egal war, wofür man es ausgab, „Geschmack" hin oder her.

Prächtig sollen sie sein, aber sie wirken pompös, die am Rathaus Spandau aufwendig gestalteten Leuchten, sie wirken wie eine Reihe billiger Ohrringe. Altstadt Spandau ­ so der Ausstellungskatalog ­ „nimmt das Motiv der dreischiffigen Hallenkirche St. Nikolai auf". Paulsternstraße (1984), mit, ja, Sternen an der Decke, ist nur noch niedlich, wenn auch möglicherweise für kleine Kinder nicht zu empfehlen. Trotzdem: Bin ich hier in der Bahn oder in der Musicaltheaterhölle? Wann kommt Linie 7 auf die Bühne?

Die immer noch futuristisch wirkenden Außenbauten der U7 – öfters von Rümmler stammend – empfehle ich auch einer genaueren Betrachtung – beispielsweise per Bus.

Matthew Heaney

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
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