Ausgabe 09 - 2006 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Fuck For Forest

Pornographie als Subversion?

Im Oktober fand in der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz das Symposium „Postpornpolitics" zu alternativen Spielarten der Pornographie statt. Begleitend wurden im Rahmen des 1. Pornofilmfestivals Berlin in verschiedenen Kinos Pornos gezeigt. Das Medieninteresse war erwartungsgemäß groß, bot die Veranstaltung doch Gelegenheit, leicht oder gar nicht bekleidete Frauen und Männer abzubilden, was bekanntlich verkaufsfördernd wirkt.

Die zentrale Aussage der Veranstalter, Pornographie und Sex seien subversiv, ist weder neu noch sonderlich originell. Sie wurde nicht von den 68ern erfunden und wahrscheinlich auch nicht vom Marquis de Sade. Und durch Wiederholung wird sie nicht zutreffender. Luis Buñuel hat sie bereits vor längerer Zeit in seinem Film Der diskrete Charme der Bourgeoisie beiläufig widerlegt. In dem Film versucht eine junge Revolutionärin, den Botschafter eines faschistischen Regimes zu entführen, was dieser ihr mit dem Hinweis auf angeblich bestehende Gemeinsamkeiten ausreden will: „Wir sind doch beide für die freie Liebe."

Sexualität ist zunächst einfach nur ein menschlicher Trieb. Sie kann wunderbar, aber auch Ausdruck grausamster Machtverhältnisse sein. Im Kapitalismus ist sie dem Markt unterworfen, der wird schon seit längerem mit homosexuellen Pornos erweitert. Jetzt gibt es auch girlswholikeporno aus Barcelona oder den „Starregisseur" des alternativen Pornos Eon McKai, der gerne mit Darstellern im Goth-Look arbeitet, beide Teilnehmer des Berliner Kongresses. Oder fuckforforest, die sich für „natürliche Nacktheit, Sexualität und die Rettung der Wälder" einsetzen ­ ein schönes Beispiel für die vielen Skurrilitäten, die sich im Netz tummeln.

Alternative Pornos mögen durchaus ihre Berechtigung haben, etwa, wo sie das Geschlechterverhältnis in Frage stellen statt ­ wie die üblichen Filme des Genres ­ „die Frau zum Tier zu machen", wie Tim Stüttgen, der Organisator des Berliner Symposiums, es ausdrückt. Und wenn Frauen Pornos drehen wollen, sollen sie das tun. Aber das macht doch Sexualität oder Pornographie nicht zur subversiven Sache. Porno-Konsumenten sind bislang jedenfalls nicht durch revolutionäre Umtriebe aufgefallen.

Dabei ist die von Konservativen und Feministinnen etwa in der „PorNO"-Kampagne Ende der achtziger Jahre vertretene Gegenposition, wonach Pornographie generell verboten werden müsse, da sie zu Ausbeutung und Erniedrigung führe, nicht besser. Pornographie läßt sich ebensowenig verbieten wie Prostitution oder Drogen, da sie allesamt menschliche Grundbedürfnisse befriedigen. Die Grenze sollte da gezogen werden, wo Menschen verletzt oder erniedrigt werden. Der alternativen Pornoszene wird es ergehen wie jeder Subkultur: Die kommerziell verwertbaren Teile werden in den Mainstream integriert. Auch dem normalen Betrachter von Pornos dürfte es gefallen, wenn die Darsteller mit Spaß bei der Sache sind. Und die Porno-Industrie ist auf die in Berlin präsentierten Underground- und Nischenprodukte längst aufmerksam geworden, was an den vielen Sponsoren des Symposiums abgelesen werden kann.

Frank Fitzner

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
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