Ausgabe 09 - 2006 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

gesprächsstoff

Der globalisierte Agenturmarkt bietet unabhängigen Fotografen Chancen, birgt aber auch Risiken. Am 10. und 11. November treffen sich bei Gastgeber neunplus in Berlin nationale und internationale Fotografen-Kollektive, um Einblick in ihre Arbeiten und Arbeitsweisen zu geben. Sie präsentieren sich via Slideshows und Portfolio-Bookviewings. Das theoretische Rahmenprogramm behandelt die Themen alternative Netzwerkstrategien, Vermarktung und Publikation von Autorenfotografie. „Eigen-kreativ" wird an den beiden Tagen an einem Editing für ein gemeinsames Highlight-Screening gearbeitet, das am Samstag feierlich im Hof auf 3x4 Metern projiziert wird.

stoff

Darauf haben wir gewartet, die wir unsere Leser schon seit Jahren mit Kneipenberichten aus allen Teilen der Hauptstadt beglücken: auf das Berliner Kneipenbuch! Nun haben sich mit Björn Kuhligk und Tom Schulz ausgerechnet zwei Lyriker dieser Aufgabe angenommen und Berliner Autoren dazu eingeladen, über „ihre Kneipe" zu schreiben. Präsentiert wird die alkoholgetränkte, im Berlin Verlag erschienene Anthologie passenderweise im Goldenen Hahn, jener Kreuzberger Kneipe, die Thomas Kapielski einst zum Weltkulturerbe erklärte. Neben Kirsten Fuchs, Johannes Jansen, Erik Steffen und Ambros Waibel wird dort am 11. November auch scheinschlag-Redakteur Florian Neuner seinen Kneipentext vortragen. Welche Kaschemme er gewürdigt hat, wird hier noch nicht verraten.

„Das Berliner Kneipenbuch" wird am 11. November um 20 Uhr im Goldenen Hahn, Oranienstr. 14 am Heinrichplatz, Kreuzberg, vorgestellt.

kunststoff

Nun wird auch in der Berliner Wegwerfgesellschaft aufgeräumt. Inspiriert durch das 25 Jahre alte New Yorker Projekt „Materials for the Arts" hat die Künstlerin Corinna Vosse ein Umverteilungszentrum für Rest- und Ausschußprodukte gegründet, die sich für eine Weiternutzung eignen. „Kunst-Stoffe" will allen Kreativen das Suchen und Finden künstlerisch verwertbarer Materialien erleichtern: Farben, Stoffe, Druckereiabfälle, Steine, Metall- und Holzreste, Fliesen oder Knöpfe werden in einem Garagenhof gesammelt. Inspiration statt Investition ist die Devise. Auch für Spender rechnet sich die generöse Tat, erhalten sie doch eine Spendenquittung anstelle einer Rechnung für kostenpflichtige Entsorgung.

Kunst-Stoffe, Zentralstelle für wiederverwendbare Materialien, Berliner Str. 17, Pankow, geöffnet jeden Freitag von 11 bis 18 Uhr, www.kunst-stoffe-berlin.de

süßstoff

Zu einem entspannten wie auch anregenden Abend laden Hassle Hound und Kat Cosm. Hassle Hound sampeln sich quer durch die Pop-Geschichte und reichern das Material mit Spielzeug-Instrumenten, Gitarren und Gesang zu einem wohlschmeckenden Musik-Cocktail an, verfeinert mit einer Portion Humor. Musik zum Zuhören und Entdecken der zahllosen Quellen, aus welchen sie schöpfen. Kat Cosm sind ein Singer-Songwriter-Duo, bestehend aus Jana Plewa und Sebastian Skalei. Und weil keiner ihrer Songs im Studio, sondern alle im eigenen Wohnzimmer eingespielt werden, lädt auch ihre Musik zum entspannten Zuhören ein. Elektro-akustische Songs mit Low-Fi-Charme ­ nicht perfekt, aber abwechslungsreich. Begleitet wird das Programm von Ronald Lippok (Tarwater, To Rococo Rot) und DJ Bernd Jestram.

Hassle Hound und Kat Cosm am 17. November ab 21 Uhr in der Zentralen Randlage, Schönhauser Allee 172, Prenzlauer Berg, Eintritt 8 bis10 Euro

wirkstoff

Unter dem Titel Was Machen Huah! Jetzt? brachten Huah! ihre erste LP raus. Damals um 1990 war das eine gute Frage, kannte doch kaum jemand die Band. Es folgten noch ein paar Veröffentlichungen, dann löste sich Huah! um den Musiker Knarf Röllom auf. Inzwischen hat diese Frage durchaus ihre Berechtigung. Um die Frage zu beantworten, gibt es nun ein Konzert, und das Debutalbum wird noch mal neu aufgelegt. Da weiß man bescheid. Von Mercedes Z habe ich noch nie was gehört. Laut Bandinfo „ist MERCEDES Z Berlins einzige Rockband mit dem Wissen um Sun Ra, Spacemen3, Captain Beefheart und die Monks, aber eben auch mit dem Können von Web2.0..." Wenn das mal stimmt ­ Mercedes Z sind an dem Abend auf jeden Fall auch mit dabei.

Huah! und Mercedes Z am 12. November um 21 Uhr im Bastard, Kastanienallee 6-7, Prenzlauer Berg, Eintritt 10 Euro

sprengstoff

Was mag das sein, ein „Skinhead-Roman"? Das Berliner Archiv für Jugendkulturen jedenfalls hat das Debut des 1972 geborenen Österreichers André Pilz mit diesem Untertitel versehen. No llores, mi querida ­ weine nicht, mein Schatz ist zunächst einmal eine Liebesgeschichte: Skinhead liebt ausländisches Mädchen. Das Interessante an dem Buch aber ist, daß es eine ungeschönte Innenansicht des von Gewalt und Suff geprägten Milieus bietet. Die Skinhead-Szene wird weder glorifiziert noch verteufelt, der Protagonist ist weder ein Nazi noch ein Redskin. Am 3. November kommt der schreibende Skinhead aus Österreich nach Berlin.

André Pilz liest am 3. November um 18 Uhr im Archiv der Jugendkulturen, Fidicinstr. 3, Kreuzberg, www.jugendkulturen.de.

erkenntnisstoff

Der Berliner Filmemacher Stefan Hayn zählt zu den wenigen seines Metiers, die ihr Tun politisch reflektieren. Dem Dokumentarfilm mit seiner Suggestion von Authentizität hat er stets mißtraut und die nötige Distanz gewahrt; stattdessen versucht er, dieses Genre aufzubrechen. Auf einer ganz speziellen, anachronistischen Form der visuellen Weltaneignung basiert sein Film Malerei heute, der jetzt im fsk in Kreuzberg gezeigt wird. Hayn hat jahrelang Plakate im Berliner Stadtraum abgemalt und so den Veränderungen des gesellschaftlichen Klimas nachgespürt. Seine Aquarelle bilden den roten Faden des Films, der sich scharfsichtig mit der Bildpolitik der letzten Jahre auseinandersetzt und auf frappierende Weise zeigt, wie sich die Propaganda von Politik einerseits und Konsumindustrie andererseits ergänzen.

„Malerei heute" von Stefan Hayn und Anja-Christin Remmert läuft ab dem 16. November im fsk am Oranienplatz, Segitzdamm 2, Kreuzberg.

nährstoff

Der österreichische Komponist Clemens Gadenstätter begreift neue Musik im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen nicht als abstraktes Spiel „tönend bewegter Formen", als l'art pour l'art. Er interessiert sich für die semantischen Implikationen musikalischer Formen und Formeln, bezieht gerne Signalhaftes in seine Musik ein, der so eine gewisse Welthaltigkeit zuwächst. Kein Wunder also, daß Gadenstätter bevorzugt im Grenzbereich zwischen Musik und Sprache arbeitet. Das Ensemble Mosaik bringt jetzt das zweite Streichtrio des 1966 geborenen Komponisten, der sich dieses Jahr als DAAD-Stipendiat in Berlin aufhält, zur Uraufführung.

„Streichtrio II/Palimpsestation Electronique" von Clemens Gadenstätter wird am 29. November um 20 Uhr in der Kulturbrauerei, Schönhauser Allee 36-39, Prenzlauer Berg, uraufgeführt.

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
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