Ausgabe 09 - 2006 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Der Löwe brüllt, und er hat Träume

Immerhin: Heinz Buschkowsky (SPD), alter und neuer König des Neuköllner Dschungels, scheint dazuzulernen. Sein bisheriges Konzept, dem Bezirk durch öffentliches Lamentieren über das Scheitern des sogenannten Multikulturalismus zu besseren Schlagzeilen – z.B. in der rechtsextremen Jungen Freiheit – zu verhelfen, lief ja eher ins Abseits. Nun werden ihn seine Koalitionspartner von den Grünen und der Linkspartei unterm Verhandlungstisch der bezirklichen Zählgemeinschaft (die ihn schließlich wieder auf den Thron hieven sollte) solange getreten haben, bis er bereit war, eine neue Gangart einzuschlagen.

Tags darauf legte er der versammelten Presse seine „Vision" eines Neu-Neukölln dar: Auf dem Tempelhofer Flugfeld sollen schnuckelige, gärtenumrankte Stadthäuser junge Familien anlocken (sicherlich keine migrantischen, die sind ja schon da), ein begrünter Hermannplatz und eine verkehrsberuhigte Karl-Marx-Straße lassen die lokalen Geschäfte florieren, die verlängerte U7 schleppt kaufkräftige Reisende vom neuen Schönefelder Flughafen heran, die stillgelegte Kindl-Brauerei mutiert zum Kulturbrauerei-Klon, und alle Welt zieht es plötzlich nach Neukölln. Nein, nicht alle Welt, denn die ist ja schon da, sondern die „Prenzlberger", die als einzige noch nicht den Bezirk bevölkern. Und eben das soll sich nun ändern: Der Prenzlauer Berg und seine Entwicklung Anfang der neunziger Jahre sollen zur Meßlatte für Neukölln werden.

Man möchte Herrn Buschkowsky, einem Ratschlag seines Parteigenossen Helmut Schmidt folgend, ob seiner Visionen und angesichts der Neuköllner Realitäten zwar gern zum Augenarzt schicken. Doch bei näherem Hinsehen entpuppen sich seine Visionen als äußerst geschickte PR-Maßnahme. Nach dem Muster: Bringe nur oft genug das aufzuwertende Objekt mit dem Imageziel deiner Wahl in Verbindung, und irgendwann wird es schon ins Unterbewußtsein dringen. Und vor allem wird es dort bisherige, unerwünschte Bilder verdrängen. Zumindest, wenn die neuen einprägsam genug sind. Und nicht allzu lächerlich. Naja, da muß der Löwe das Brüllen wohl noch etwas üben ...

Tobias Höpner

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
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