Ausgabe 08 - 2006 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

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1978 rief der Komponist Dieter Schnebel, lange Jahre Professor an der UdK, ein ungewöhnliches Ensemble ins Leben: „Die Maulwerker" loten seither Grenzbereiche zwischen experimenteller Musik, Sprache und Performance aus, Vokalisten und Performer in Personalunion. Bei TESLA präsentieren die Maulwerker nun ein Programm, das sie unter das Motto „Translationen" gestellt haben und das Übersetzungen, Übertragungen und der „Poesie des Mißverständnisses" nachspüren will. Die Arbeiten von Robin Hayward, Sven-Åke Johansson, Ariane Jeßulat u.a. stehen für vielfältige ästhetische Ansätze und bedienen sich vieler Sprachen (u.a. Französisch, Schwedisch, Computersprache).

Die Maulwerker performen am 6. Oktober um 20.30 Uhr im TESLA im Podewils'schen Palais, Klosterstr. 68, Mitte, Karten 10 Euro, ermäßigt 5

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Nach Morden, Terroranschlägen und tödlichen Verkehrsunfällen entstehen sie oft spontan, um dann ebenso schnell wieder zu verschwinden: Straßenaltäre, mit denen Menschen unter Aufbietung von Kerzen und allerlei Nippes ihre Betroffenheit zum Ausdruck bringen. Der Schweizer Künstler Thomas Hirschhorn ist nun auf die absurde Idee verfallen, am U-Bahnhof Alexanderplatz einen Altar für die 1973 verstorbene Ingeborg Bachmann aufzubauen. Was die Autorin mit diesem Ort verbindet? Eigentlich nichts. Immerhin lebte die Bachmann in den sechziger Jahren einige Zeit in Westberlin und schrieb einen Essay über die geteilte Stadt. Hirschhorns Altar ist Teil des von der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst betreuten Ausstellungsprojekts U2 Alexanderplatz und dort zusammen mit einer Klanginstallation von Ayæe Erkmen und Schrifttafeln von Christine Hill bis zum 29. Oktober zu sehen.

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Man muß wirklich nicht alles mögen, was aus Österreich kommt, aber dieses Duo muß man einfach lieben: Attwenger revolutionieren seit 15 Jahren die alpenländische Musiktradition rund ums Akkordeon und mischen Volksmusik wahlweise mit Punk, HipHop oder Dancefloor. Besonders empfehlenswert sind diese Stilerweiterungen der Avantgarde-Akkordeonisten live. Begleitet werden sie im Vorprogramm von der Berliner Band RichandKool, die irgendwo zwischen Trash-Pop und wilden Electric-Soul zu verorten und allein schon wegen ihre hübsch roten Anzüge überaus sehenswert ist.

Attwenger am 13. Oktober um 22 Uhr im Bastard, Kastanienallee 7-9, Prenzlauer Berg, Eintritt 10 Euro

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Die österreichische Schriftstellerin Elfriede Czurda, seit Anfang der achtziger Jahre eine Berlinerin, verbindet in ihrem Werk wie wenige Formbewußtsein und politische Wachheit. Ihr wohl bekanntestes Buch, der Roman Die Giftmörderinnen, basiert auf einem authentischen Berliner Fall und setzt die Machtlosigkeit der Protagonistin, die als Sprachlosigkeit analysiert wird, beklemmend in Szene. Czurda feiert in diesem Jahr ihren 60. Geburtstag, und zu diesem Anlaß hat Christian Steinbacher zusammen mit scheinschlag-Redakteur Florian Neuner einen Materialienband über sie herausgegeben. Der wird jetzt in der literaturWERKstatt präsentiert, Kolleginnen und Kollegen, u.a. Elke Erb, Sabine Scholl und Lisa Spalt, gratulieren und lesen für Elfriede Czurda.

„Die Zumutungen des Lebens und des Alphabets. Elfriede Czurda zum 60. Geburtstag", am 31. Oktober um 20 Uhr in der literaturWERKstatt in der Kulturbrauerei, Knaackstr. 97, Prenzlauer Berg, Eintritt 5 Euro, ermäßigt 3

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Der Film hält seit einiger Zeit Einzug in die Museen, kaum eine Ausstellung ohne bewegte Bilder und flimmernde Monitore. Das filmische Experiment sucht Zuflucht im Museum vor einer durch und durch kommerzialisierten Filmwelt. Auf die Ausstellung Jenseits des Kinos im Hamburger Bahnhof, die die „Kunst der Projektion" außerhalb der filmischen Projektion auslotet, antwortet das Kellerkino Arsenal mit der Filmreihe Jenseits des Museums. Gezeigt werden Filmexperimente von bildenden Künstlern wie Richard Serra, Sigmar Polke und Vito Acconci, aber auch Arbeiten von wichtigen Vertretern des Experimentalfilms wie Kenneth Anger und Michael Snow. Warum das flaue Psycho-Remake von Gus van Sant ebenfalls in das ambitionierte Programm Aufnahme gefunden hat, verstehe wer will.

„Jenseits des Museums – Die Kunst der Projektion", von 4. bis 25. Oktober im Kino Arsenal, Potsdamer Str. 2, Tiergarten, www.fdk-berlin.de

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Eigentlich hat Brahms sein Deutsches Requiem für einen großen Orchesterapparat geschrieben. Und dennoch komponierte er auch eine Fassung für vier Hände. Zunehmender Beliebtheit erfreut sich indes die Bearbeitung von Heinrich Poos, in der zwei Klaviere und drei Pauken das Orchester ersetzen und die jetzt der Madrigalchor Charlottenburg, einer der engagiertesten Laienchöre der Stadt, zum Besten gibt. Durch die Reduktion klingt das die letzten Dinge beschwörende Werk ungewohnt kammermusikalisch und modern. Das unvertraute Klangbild schärft die Ohren für vermeintlich allzu Bekanntes.

„Ein deutsches Requiem" von Johannes Brahms in der Bearbeitung von Heinrich Poos mit Stephanie Petitlaurent (Sopran), Sebastian Bluth (Bariton), Vida Kalojanowa und Arthur Hipp (Klavier), Tan Kutay (Pauke) und dem Madrigalchor Charlottenburg unter der Leitung von Gudrun Krösmann am 27. Oktober um 19 Uhr im Bunsensaal der WISTA Management GmbH, Rudower Chaussee 17, Adlershof, sowie am 28. Oktober um 20 Uhr in der Passionskirche, Marheinekeplatz 1-2, Kreuzberg, Karten zu 12 Euro, ermäßigt 8

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Seit mehr als 40 Jahren fotografiert Norbert Bunge in Berlin, und so können seine Bilder nicht nur ein ästhetisches Interesse beanspruchen, sondern auch als Zeitdokumente gelten. Bunge arbeitete lange Zeit als Kameramann, u.a. für das ZDF, und widmete sich nebenbei dem Genre der sogenannten Straßenfotografie ­ in Berlin, aber auch in Kanada, Australien und Frankreich. Bunge, der 1996 die Galerie argus fotokunst gründete, setzt in seinen Bildern, die er in Zeitungen und Magazinen veröffentlicht, auf Schwarzweiß und strenge Komposition. Die Fotos sind deshalb aber keineswegs unterkühlt, sie sind von vielen Menschen bevölkert. Hans-Jörg Rother spricht in seinem Katalogtext von einem „nachahmenswerten Respekt vor dem Leben".

„nebenan und anderswo. Fotografien aus vier Jahrzehnten von Norbert Bunge", von 29. September bis 24. Oktober in der Otto-Nagel-Galerie, Seestr. 49, Wedding, Di bis Fr 14 bis 19 Uhr

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Wer La Ruda im Juni zur Fête de la Musique verpaßt hat, bekommt Ende Oktober noch eine zweite Chance, die Franzosen live zu erleben. Dann werden sie nämlich wieder das Kesselhaus in der Kulturbrauerei mit kraftvollen Songs, die ihre Wurzeln in Ska und Punk haben, zum Brodeln bringen und reichlich Gelegenheit zum Abtanzen bieten.

La Ruda, am 30. Oktober um 21 Uhr im Kesselhaus, Schönhauser Allee 36, Prenzlauer Berg

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
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