Ausgabe 08 - 2006 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Das Augenzwinkern der Geheimnisträger

Der BND lädt seine Nachbarn zur Baustellenbesichtigung

Jetzt ist Deutschland wieder wer: Man darf wieder voller Stolz die Fahne wehen lassen, die Flotte, pardon: die Marine macht die Weltmeere sicher, und die moderne Bundeswehr ist auf der ganzen Welt zu Gast bei Freunden. Nun muß selbstverständlich auch unser Geheimdienst einen gut sichtbaren Repräsentationsbau in der machtverliebten Hauptstadt bekommen.

Die Wahl fiel auf einen Gebäudekomplex, dessen ein wenig an ein streng symmetrisches chinesisches Schriftzeichen erinnernder Grundriß dem Begriff „Headquarter" alle Ehre machen wird. Als Ort für den Mega-Bau mit einer Geschoßfläche von 260000 m2 ist das Gelände des ehemaligen Stadions der Weltjugend auserkoren worden.

Aus der begründeten Befürchtung, eine fünf Jahre währende Großbaustelle mit etwa 20 Kränen könnte die Anwohner auf Dauer belästigen, gingen die Verantwortlichen ­ der BND, das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) und die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ­ in die Offensive, genauer: in eine Charme-Offensive. Mit farbigen Flyern wurden die Anwohner der Chausseestraße und der Habersaathstraße zu einer exklusiven Informationsveranstaltung eingeladen. Auf der Brache des Stadiongeländes war ein Zelt errichtet, darin konnten die Anwohner verschiedene Architekturzeichnungen des Gebäudes sowie das Wettbewerbsmodell bestaunen. Dazu wurden Brezeln und Saft gereicht und Bleistifte mit dem BND-Logo verschenkt. Auf diese Weise ruhiggestellt, sahen die Anwohner gespannt zum eigenartig hohen Podium hinauf, wo die Referenten vor einem riesigen BND-Poster saßen, während das Publikum stehen mußte.

Die Inszenierung war aber nicht nur im Hinblick auf das Bühnenbild, sondern hinsichtlich der Kostümierung liebevoll gemacht: Den mißtrauisch an den Brezeln kauenden Berlinern in ihrer Alltagstracht Leggins und Badeschlappen saßen würdevolle Herren in eleganten Zweiteilern gegenüber. Der Reihe nach referierten: Eberhard Krügele, Koordinator des Umzugs beim BND, der in witzelndem Schwäbisch versicherte, der dauerhafte Wegfall der Parkmöglichkeiten an der Chausseestraße und die täglich dort arbeitenden 4000 BND-Mitarbeiter zögen keine Verschärfung der Parkplatzkonkurrenz nach sich, da die provinzgewöhnten Geheimdienstler geradezu Fans des öffentlichen Nahverkehrs in Berlin seien. Lothar Fehn Krestas, Projektleiter beim BBR, stellte heraus, welch unglaubliche Herausforderung die Beteiligten angenommen hätten und mit welch sportlichem Ehrgeiz sie nun die Durchführung betrieben. Jan Kleihues, Architekt des Hauptgebäudes, zeichnete das Bild eines Gebäudes, das alle notwendigen Sicherheitsfunktionen erfülle und dennoch diskret, licht, ja nahezu transzendent wirke. Christian Kuhlo schließlich, der Beauftragte der Senatsbauverwaltung für Stadtentwicklung, beschränkte sich darauf, den auf 2,5 Hektar geplanten Pankepark, für den die Panke wieder freigelegt werden soll, zu erläutern.

Als die Fragerunde mit der Mahnung freigegeben wurde, Sinn und Unsinn des Umzugs sowie die Gestaltung des Gebäudes stünden nicht zur Debatte, hielten sich die Bürger daran. Zwar wurde bezweifelt, daß alle BND-Mitarbeiter brav mit der Tram zur Arbeit kommen würden, und einige baten darum, daß keine Bäume gefällt werden, insgesamt aber zeigten sich die Anwohner wenig informationsbedürftig oder gar kritisch. Das mag wiederum mit der perfekten Inszenierung dieser Veranstaltung zu tun gehabt haben: Man fühlte sich irgendwie eingeweiht, durch die Einladung zu dieser exklusiven Veranstaltung und durch die Art, wie die Referenten Rede und Antwort standen. Diese leiteten ihre Sätze überaus häufig mit Formulierungen ein wie etwa: „Sie werden verstehen, daß ich aus Sicherheitsgründen und dem besonderen Charakter nicht viel sagen kann, nur soviel, daß ..." Darauf folgten Belanglosigkeiten und ein Geheimnisträger-Augenzwinkern. Nein, selbstverständlich, das wurde verstanden, klar braucht ein so wichtiger Geheimdienst ein eigenes Kraftwerk mit zwei 45 Meter hohen Schloten, sonst könnte man ihm ja einfach das Licht ausknipsen. Nein, in Zehlendorf kann der Dienst unmöglich bleiben, das ist ja fast genauso weit weg von den Machtzentralen der Republik wie Pullach.

Die selbstbewußte Offenheit des Geheimdienstes hat beeindruckt, die Mischung aus „demokratischer Transparenz" und weltwichtiger Geheimhaltung wirkt. Man hat das gewußt, und deshalb ist im neuen Gebäude ein Besucherzentrum vorgesehen, mit Caféteria, einem Geheimdienstmuseum und – kein Scherz – einem BND-Shop, in dem man sich lustige Tassen und T-Shirts mit BND-Logo kaufen kann. Die Botschaft ist klar: Dieser Geheimdienst soll nicht versteckt, sondern präsentiert werden. Die neue Zentrale ist nicht zuletzt der Ausdruck eines gewachsenen Selbstbewußtseins beim BND.

Moritz Feichtinger

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
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