Ausgabe 08 - 2006 berliner stadtzeitung
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Die eigene Küche als Teil des Ausbeutungssystems

Eine Studie untersucht die Situation migrantischer Hausarbeiterinnen

Es ist ja nicht so, daß von den feministischen Bewegungen in den westeuropäischen Gesellschaften schlichtweg gar nichts übriggeblieben wäre: Der Umstand, daß Frauen auch noch für etwas anderes gut sind als Kindererziehung, Altenpflege und Saubermachen, ist mittlerweile selbst bei den konservativsten der sogenannten Familienoberhäupter angekommen. Und weil diese undankbare Arbeit trotz alledem gemacht werden muß, stellt die moderne berufstätige Frau einfach eine Putzfrau, Altenpflegerin oder Tagesmutter ein. Selbst manche Wohngemeinschaften, die ihren Seelenfrieden nicht mit leidigen Abwasch-Diskussionen gefährden wollen, lösen die Konflikte mittels bezahlter Haushaltshilfen.

Dienstmädchen, die in reichen Haushalten arbeiten, sind wahrlich kein neues Phänomen. Neu ist allerdings, daß auch zunehmend mittelständische Familien fremde Frauen für die Hausarbeit bezahlen. Je mehr die soziale Schere auseinanderklafft, desto mehr Menschen gibt es, die sich eine solche Arbeiterin leisten können ­ und desto mehr Menschen, die auf solche Jobs angewiesen sind. Noch preiswerter wird es, wenn man auf Ausländerinnen zurückgreift, denen auf dem hiesigen Arbeitsmarkt nur wenige Möglichkeiten offenstehen ­ insbesondere ohne legalen Aufenthaltsstatus oder Arbeitserlaubnis.

Der Verlag Assoziation A hat jetzt endlich die Studie Doing The Dirty Work? aus dem Jahre 2000 übersetzt. Die britische Soziologin Bridget Anderson faßt darin die Ergebnisse ihrer statistischen Recherchen und Interviews mit migrantischen Hausarbeiterinnen in Athen, Barcelona, Berlin, London und Paris zusammen. Das Zahlenmaterial und die spezifischen Einreisebestimmungen der einzelnen Länder mögen sich in den letzten sechs Jahren ­ insbesondere durch die EU-Erweiterung ­ erheblich verändert haben, dennoch sind viele Ausführungen Andersons noch aktuell. So zeigt sie auf, wie eng die spezifischen Arbeitsbedingungen mit den jeweiligen Ausländergesetzen und kulturell verankerten rassistischen Vorurteilen verknüpft sind.

Auch die Wirtschaftspolitiker der reichen Länder versuchen, die Arbeitsbedingungen der ausländischen Dienerinnen zu regeln, ist ihnen doch längst bewußt geworden, welchen enormen Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt von diesen geleistet wird, wieviele Steuern ihnen bei ungeregelten Arbeitsverhältnissen entgehen und wie wichtig es für den Wirtschaftsstandort ist, die eigenen Bürger und Firmenangestellten von dieser freudlosen Drecksarbeit zu entlasten.

Die Lebensbedingungen der im Buch vorgestellten Frauen unterscheiden sich erheblich ­ sie reichen von zufriedenen Jobberinnen bis zu gequälten Sklavinnen, von Bezahlung in Naturalien bis zu immerhin zehn Euro die Stunde. Der Leser erfährt von Afrikanerinnen in Griechenland, die tägliche Geldbußen wegen Überziehung ihres Visums anhäufen und aufgrund dieses enormen Schuldenbergs nicht mehr auf legale Weise in ihre alte Heimat zurückkehren können. Oder von Philippininnen in Großbritannien, deren legaler Aufenthaltsstatus an eine feste Anstellung gebunden ist, so daß eine Kündigung die sofortige Abschiebung oder die Illegalität zur Folge hätte. Daß eine derartige Abhängigkeit vom Chef Ausbeutung und Mißhandlung Tür und Tor öffnet, liegt auf der Hand.

Am schlimmsten trifft es die sogenannten Live-in-Arbeiterinnen, die im Haus der Chefs wohnen und folglich immer im Dienst sind. So erzählen beispielsweise Marokkanerinnen in Spanien von gerade mal vier Stunden Schlaf, einem halben freien Tag und Schoßhündchen, die besser behandelt werden als sie. Besonders traumatisch erleben diese Frauen, daß sie sich rund um die Uhr um eine fremde Familie kümmern müssen, während sie ihre eigene zurücklassen mußten oder diese sogar ganz in der Nähe lebt, ohne daß es den Hausarbeiterinnen möglich wäre, sie mehr als ein paar Stunden in der Woche zu sehen.

Doch Anderson berichtet auch von privilegierteren Hausarbeiterinnen wie den in Berlin arbeitenden Polinnen, die am Wochenende auch mal nach Hause fahren können und aufgrund ihrer hervorragenden Selbstorganisierung höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen herausschlagen konnten. Viele von ihnen leisten sich wiederum ukrainische Kindermädchen und Putzfrauen, um die in der Heimat gebliebene Familie zu umsorgen.

Obwohl Anderson Wert darauf legt, die Perspektive der Dienerinnen einzunehmen, läßt sie auch Chefinnen zu Wort kommen ­ meistens jedoch in der Absicht, sie vorzuführen. Daß diese Frauen über einen angeblichen Versorgungsnotstand jammern, läßt sie nicht gelten und zweifelt stattdessen an, ob man wirklich komplizierte Handwäschen, staubanziehenden Nippes, pflegeintensive Haustiere und gebügelte Geschirrhandtücher braucht, um ein zivilisiertes Leben zu führen. Es geht wohl eher darum, einen feudalen Status aufrechtzuhalten. Es werden auch Frauen zitiert, die ihre Magd am liebsten als Teil der Familie betrachten möchten und sich dann darüber beschweren, daß die Ausländerinnen doch nur herkamen, um Geld zu verdienen.

Die Absicht vieler wohlhabender Familien, der armen Migrantin mit einer Anstellung zu helfen, läßt Anderson nur bedingt gelten, nutzt man doch – willentlich oder nicht – nur das Elend der Ärmeren aus, statt es zu bekämpfen. So bleibt am Ende der Ausführungen vor allem eine allgemeine Kapitalismuskritik, die vage ausfallen muß, da es für das Problem einer alternden Gesellschaft, der Auflösung von Großfamilien, einer Überlastung berufstätiger Frauen und einem immer größeren Bedürfnis nach angenehmem Zeitvertreib keine einfache Lösung gibt. Denn auch wir möchten lieber eine nette und bezahlbare Pflegekraft einstellen, statt in das popelige Heimatkaff zurückzukehren, um den senil gewordenen Vater zu pflegen. So wird das von Anderson beschriebene Ausbeutungssystem weiter bestehen bleiben.

Susann Sax

Bridget Anderson: Doing The Dirty Work? Migrantinnen in der bezahlten Hausarbeit in Europa. Verlag Assoziation A, Berlin/Hamburg 2006. 14 Euro

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