Ausgabe 07 - 2006 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Kurznachrichten

gräßlich

Das Rechtsberatungsgesetz soll den heutigen Bedürfnissen der Wirtschaft angepaßt werden. Fortan dürfen auch andere als Rechtsanwälte Rechtsrat erteilen. Doch das Monopol kippt nicht, es wankt bloß. Ab 2007 wird man zwar Oma nun ganz legal einen Tip geben können, und auch Vereine und soziale Organisationen dürfen Rechtsrat erteilen, wenn mindestens ein Volljurist vor Ort ist. Wo aber jemand „dauerhaft" außerhalb dieser Organisationen Rechtsrat erteilt, ohne „qualifiziert" zu sein, dem kann dies nun verboten werden. Bloß: Wer entscheidet darüber, ob die betreffende Person „qualifiziert" ist oder nicht? Das Rechtsberatungsgesetz von 1935 diente dazu, jüdische Anwälte aus ihren Berufen zu vertreiben. In der Bundesrepublik wurde es immer wieder gegen hochspezialisierte Laien eingesetzt, die insbesondere bei politisch motivierten Straftaten und Verfahren wie bei Kriegsdiensttotalverweigerungen den Angeklagten eine wichtige Stütze waren. Bereits die Existenz des Gesetzes ist skandalös, die jetzt geplante Änderung ist bloß Kosmetik.

schröcklich

Hans Wall droht, mit seiner Firma aus Berlin und Velten nach Hamburg umzuziehen. Der Grund: Der Senat hat beim Verkauf der VVR Berek, die für die BVG die Werbeflächen vermarktet, dem zweiten Bieter, JC Decaux, den Zuschlag gegeben. Dieser hat nämlich 103 Mio. Euro geboten, während Wall nur 80,5 Mio. Euro lockermachen wollte. Jetzt beschwert sich der Dienstleistungsunternehmer darüber, daß man hier lediglich ­ ach was! ­ aufs Geld geschaut und sein Kultur- und Sozialsponsoring nicht berücksichtigt habe. Wenn in Hamburg demnächst die Außenwerbung neu ausgeschrieben werde, werde er darüber nachdenken, ob er den Umzug seiner Firma in die Hansestadt zum Bestandteil seines Angebots mache. Soll er doch gehen! Es ist Walls gutes Recht, sich über eine unternehmerische Entscheidung zu echauffieren. Aber auf keinen Fall darf sich der Senat erpressen lassen. Denn so lobenswert Walls umfangreiche Kultur- und Sozialförderung auch sein mag, so sehr beruht sie auch auf Kalkül. Denn auch sein unternehmerischer Erfolg beruhte darauf, Win-Win-Situationen herzustellen, indem er den Städten kostenloses Straßenmobiliar bereitstellte (Toiletten, Bushaltestellen usw.) und sie über die Verpachtung der Werbeflächen refinanziert. Aber auch Wall ist nicht seines Geldes Feind. So edel, wie er glauben machen will, sind seine Absichten nicht.

nützlich

Zum Schulbeginn läßt sich die Automobilindustrie doch immer wieder etwas Neues einfallen. Ford z.B. hat jetzt stolz vermeldet, daß man in den fünfziger Jahren die Idee der Schülerlotsen aus den USA nach Deutschland gebracht habe ­, um im selben Atemzug darauf hinzuweisen, daß der Konzern „bei der Sicherheitsausstattung seiner Fahrzeuge immer wieder wegweisende Zeichen gesetzt" habe; gemeint sind damit Verbundglasscheiben, serienmäßge Fahrerairbags und Seitenaufprallschutz. Da schlägt das Autofahrerherz doch gleich in einem höheren Takt. Denn Sicherheit kann ja wohl nichts anderes als die Sicherheit der Fahrzeuge bedeuten. Wenn auf der Straße herumstreunende Kinder beim Frontalzusammenstoß mit einem Ford nicht mehr so leicht durch die Windschutzscheibe krachen oder bei einem seitlichen Aufeinandertreffen von Blech mit Schulranzen die Türen keinen Schaden nehmen (womöglich in einer insassengefährdenden Weise), dann hat der Autobauer aus Köln sein Soll übererfüllt. Das nennt man zivilgesellschaftliches Engagement! Aber wie heißt die Parole doch gleich? Ford ­ die tun was.

termine

EAchtung Wahlen! Es ist Zeit, Bilanz zu ziehen. Die Humanistische Union Berlin lädt ein: am 5. September um 18 Uhr zu einer Podiumsdiskussion „Bürgerrechte in Berlin ­ was wurde getan, was bleibt zu tun?" in die Humboldt-Universität, Hauptgebäude, Unter den Linden 6, Mitte, Raum 2097.

ENach Abschluß des letzten Bauabschnitts lädt das ACUD am 16. September ab 19 Uhr unter dem Motto „ACUD ­ es bleibt akut" in seine Räume in der Veteranenstraße 21, Mitte.

ESabine Krusen, bekannt durch ihre Rubrik „Vergessene Biographien" in dieser Zeitung, stellt am 16. September um 16 Uhr die Namensgeberinnen der Straßen vor, die rund um den Hauptbahnhof angelegt wurden. Der Rundgang startet am Haupteingang des Hauptbahnhofs.

EAm 28. September um 19 Uhr stellt Alfredo Bauer aus Buenos Aires den zweiten Band seiner Kritischen Geschichte der Juden im Jüdischen Kulturverein Berlin e.V., Oranienburgerstraße 31, Mitte, vor. Eintritt 3 Euro, ermäßigt 1,50 Euro. Weiter Informationen unter fon: 2826669.

scheinschlag sucht

weiterhin Leute, die über Stadtpolitik schreiben können und wollen: Bezirkspolitik von oben wie von unten, Umstrukturierungen der Arbeitswelt, Stadtentwicklungstendenzen, außergewöhnliche Kulturprojekte, Karnevalsvereine oder den gesellschaftlichen Wandel in Berlin. Bei Interesse wendet euch bitte an die Redaktion, fon: 28599063, e-post: info@scheinschlag.de.

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zum Offenen Autorentreffen ins Café Village Voice, Ackerstraße 1a. Über künftige Autoren, Fotografen und Illustratoren freuen wir uns, auch Neugierige sind willkommen. Das nächste Treffen findet am Sonnabend, den 9. September, um 14 Uhr statt.

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
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