Ausgabe 07 - 2006 berliner stadtzeitung
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Es kommt nicht auf die Größe an ...

Zwei Investoren wollen je ein Riesenrad errichten ­ womöglich wird keines gebaut

Jetzt drehen sie sich wieder, die Gespräche um den Bau eines Riesenrads in Berlin. Gleich zwei Investoren wollen der Stadt ein neues Wahrzeichen verpassen: Die Anschutz Entertainment Group plant, ihr „Giant Wheel" in der Nähe des Ostbahnhofs aufzustellen; die World Wheel Berlin Holding GmbH will im Westen direkt neben dem Zoo das „Aussichtsrad Berlin" bauen. Nach Angaben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung kann jedoch nur eines der beiden Projekte realisiert werden.

Eine Umdrehung voraus wähnt sich die Anschutz-Gruppe. Das „Giant Wheel" soll 180 Meter hoch werden und mit seinen 40 Gondeln jährlich ca. 1,5 Millionen Passagiere durch Berlins berühmte Luft zirkulieren. Das Rad wäre damit das höchste Europas, gefolgt vom 60 Meter niedrigeren „London Eye" in der britischen Hauptstadt.

„Ich bin überzeugt, daß unser Riesenrad zuerst gebaut wird", gibt sich der Anschutz-Manager Kevin Murphy optimistisch. Schließlich gehe es nicht nur um den Standort, sondern auch um das gesamte Konzept. Und hier liege man eindeutig vorn. Das Rad werde als zentraler Bestandteil in das „Destination Entertainment Center" eingebettet, das Anschutz Ende 2008 in Friedrichshain zwischen Ostbahnhof und Oberbaumbrücke errichten will. Zu dem Projekt gehören neben der „O2-World-Arena" auch Hotels, Theater, Gastronomie, Wohnungen und Gewerbeflächen.

Das „Giant Wheel" soll die Sicht auf Berlins Touristenattraktionen optimal nutzen und sich rund um die Uhr drehen. Schattenwurf sei nur auf den Bahngleisen und dem Grundstück des Anschutz-Areals zu erwarten.

Während sich der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg grundsätzlich für das Projekt ausgesprochen hat und den Bebauungsplan verabschieden würde, macht der Friedrichshainer SPD-Politiker Stefan Zackenfels dagegen mobil: „Das Riesenrad paßt nicht an diese Stelle." Anwohner anliegender Straßen fürchten eine Zunahme des Verkehrs im Wohnviertel ­ in Zackenfels' Wahlkreis.

Die konkurrierende internationale Investorengruppe World Wheel Berlin Holding GmbH plant ihr „Aussichtsrad Berlin" auf dem Gelände des heutigen Wirtschaftshofs des Zoos, das sie für 22 Millionen Euro vom Land kaufen will. Auch dieses Projekt ist umstritten. Die nahe Technische Universität lehnt es ab, sie plant in der Nähe selbst einen Erweiterungsbau. Zoodirektor Jürgen Lange räumt ein, daß es intern unterschiedliche Meinungen gibt, aber um die Ruhe der Tiere macht er sich keine Sorgen. Weder Schatten noch die Beleuchtung würden die Tiere wesentlich beeinträchtigen.

Als größter Vorteil eines Riesenrads in der City West gilt dessen zentrale Lage mit Blick auf die vielen Sehenswürdigkeiten. Das Aussichtsrad Berlin soll 175 Meter hoch werden, damit würde ihm das nahegelegene Europa-Center kaum bis zur Achse reichen. Mindestens 1,5 Millionen Besucher jährlich sollen die 35minütige Runde mit dem Rad drehen. „Kein Rummel, sondern eine bewegte Aussichtsplattform" sei das Rad, sagt Projektentwickler Michael Waiser. Er wünscht sich ein Kombi-Ticket für den Zoo und das Riesenrad. Eine Vereinbarung stehe noch aus, aber seine Preisvorstellung nennt er schon: 12 Euro ­ und für Kinder etwas weniger.

Die Finanzbehörde will das Finanzierungsmodell streng prüfen, damit das Riesenrad nicht als Investruine endet. Doch nach Waisers Angaben ist die Finanzierung „absolut gesichert". Rund die Hälfte der insgesamt 120 Millionen Euro sollen als Eigenkapital von ­ nicht genannten ­ Gesellschaftern und einem Immobilienfonds kommen.

Die Grünen hingegen, die dem Riesenrad-Projekt ohnehin kritisch gegenüberstehen, bezweifeln die Bonität der extra für das Zoo-Projekt gegründeten GmbH. Sie haben einen Antrag vorbereitet, nach dem das Abgeordnetenhaus beschließen soll, daß für das Land und die Anlieger bei dem Verkauf des Grundstücks keine finanziellen Risiken entstehen dürfen und daß im Falle des Scheiterns des Projekts eine Bankbürgschaft den Rückbau sichern muß.

Beim Senat gebe es keinen Favoriten, so Manuela Damianakis, Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Die Entscheidung über eine Baugenehmigung für das Riesenrad liege bei den betreffenden Bezirken. Klar sei jedoch, daß es in Berlin nur ein Riesenrad geben könne. Die Senatsverwaltung für Finanzen scheint jedoch das Projekt am Zoo zu unterstützen. Bei Unterzeichnung der Verträge winken Einnahmen von 22 Millionen Euro.

Klaus-Dieter Gröhler (CDU), Baustadtrat im benachbarten Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf, unterstützt das Riesenrad-Projekt in Tiergarten. „Der Bezirk ist bereit, die Baugenehmigungen zu erteilen." Er wirft dem Regierenden Bürgermeister Wowereit und Stadtentwicklungssenatorin Junge-Reyer (beide SPD) vor, daß sie sich nicht positionierten, obwohl klar sei, daß sich in Berlin letztlich nur ein Riesenrad drehen könne. „Unterm Strich kann es passieren, daß Berlin überhaupt kein Rad bekommt", warnt er.

Verwundern würde es wohl niemanden. Schließlich wurden in den vergangenen Jahren bereits andere Standorte diskutiert. Die Projekte am Gleisdreieck, an der Heidestraße oder auf dem Gelände des Tempodroms scheiterten allesamt. Touristenattraktionen, die eine Aussicht über die Stadt ermöglichen, gibt es in Ost und West genug. Und das Argument, daß das größte Riesenrad Europas entstünde, wird spätestens dann obsolet, wenn das in Moskau geplante Riesenrad von über 200 Metern Höhe fertiggestellt ist.

Sonja John

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
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