Ausgabe 07 - 2006 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Kontrolle und Einschüchterung

Am 23. August diskutierte das Berliner Sozialforum in der Heilig-Kreuz-Kirche über die Bespitzelung der Organisation durch den Verfassungsschutz. Die durch den Innensenator Erhart Körting (SPD) zu verantwortende Überwachung währt bereits fünf Jahre und wird begründet mit einer möglichen linksextremistischen Unterwanderung des eher gemäßigten Sozialforums, dessen prominentestes Mitglied der Hochschullehrer Peter Grottian ist.

In der Einschätzung der Verfassungsschutztätigkeit waren sich die Diskussionsteilnehmer auf dem Podium weitgehend einig: Es geht um Kontrolle und um Einschüchterung. Heiner Busch vom Komitee für Grundrechte und Demokratie sowie Redakteur der Zeitschrift Bürgerrechte und Polizei wies darauf hin, daß es kürzlich wieder zu einem Berufsverbot gegen einen Antifa-Aktivisten in Baden-Württemberg gekommen sei. Im Hinblick auf die Diskussion vor einigen Jahren über die Beobachtung Rechtsextremer bezeichnete er es als „gut, daß wir selber wieder dran sind". Der Verfassungsschutz sei strukturell undemokratisch und rechtlich nicht kontrollierbar und müsse daher abgeschafft werden. Außerdem forderte er eine Kampagne, Akteneinsicht zu verlangen, was in Berlin relativ einfach sei.

Christian Ströbele von den Grünen, seit Jahren Mitglied des streng geheim tagenden Kontrollausschusses für die Nachrichtendienste im Bundestag, sah die Gefahr, daß die Bürger aus Furcht vor Überwachung nicht politisch aktiv würden. Zudem drohten Berufsverbote auch in sicherheitsrelevanten Bereichen der Privatwirtschaft, wie etwa der Stromversorgung. Dennoch war er der einzige auf dem Podium, der nicht die Abschaffung des Verfassungsschutzes, sondern lediglich mehr Transparenz forderte. Die Ergebnisse der Überwachung sollten Wissenschaftlern und Journalisten zur Verfügung gestellt werden und könnten der Geschichtsschreibung dienen. Hierzu meinte Heiner Busch, daß dies ein falsches Geschichtsbild ergeben würde.

Steffen Zillich, für die PDS im Verfassungsschutz-Ausschuß des Abgeordnetenhauses, wies den Vorwurf aus dem Publikum zurück, die linke Opposition solle durch Beobachtung mundtot gemacht werden.

Für Stimmung sorgte der Beitrag des nicht auf dem Podium sitzenden Peter Grottian. Zillichs Äußerungen seien skandalös, den Verfassungsschutz bezeichnete er als unfähig, da er den Wandel in linken Gruppen nicht kapiert habe. Deren Problem sei mangelnde Radikalität. Außerdem rief er zur Teilnahme am Ausschuß zum Verfassungsschutz auf (Anmeldungen über fon: 23251064).

Frank Fitzner

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
Ausgabe 07 - 2006 © scheinschlag 2006