Ausgabe 05 - 2006 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Sand, Strand und Krieg

Exotische Relikte und vermeintliche Innendekoration in einer Ausstellung von Ulrike Feser

Der Titel ist natürlich programmatischer Natur, denn es geht der jungen Berliner Künstlerin in ihrer derzeitigen Ausstellung um den quasi „doppelten" Charakter von Exotik und Tourismus: Als einer der weltwichtigsten Wirtschaftszweige verspricht der Tourismus mit seinem lukrativen Spiel rund um das Fernweh einerseits finanzielle Hilfe gerade für nicht so reiche Länder, andererseits degradiert es diese zum Objekt der Begierde satter Wohlstandsbürger.

Auf geht's: „going places" fordert da die erste Arbeit der Ausstellung. Dieser Satz, der unbedingt „zu begehende Orte" (gleichwohl namenlose Orte) benennt, ist auf einer Wand zu lesen. Über ihm ist ein Foto eines Wohnzentrums aus Berlin-Marzahn projiziert, das einen Palmengarten in einem schnöden Sozialbau zeigt. Exotik wird hier heimgeholt ins Reich der eigenen vier Wände, genauer: das Klischee von Exotik und Ferne, das (westliche) Traumfabriken wie Hollywood oder die Tourismusindustrie längst in unseren Phantasiehaushalt eingespeist haben. In der Installation „ohne Titel" (2006) im nächsten Raum tritt dann auch Hollywood explizit in Form eines Filmstills mit Klaus Kinski in typischer Westernpose auf. Vor diesem Filmstill hat Ulrike Feser vermeintlich exotische Relikte, farbenprächtige Pfauenfedern nämlich, in einer runden Vase aus Bambus plaziert. So schauen die Augen der Federn direkt in die Augen von Klaus Kinski ­ und in die Augen des neugierigen Betrachters. Dieser Double Bind nämlich steht hier auf dem Prüfstand: Die Konstruktionen von Natur/ Landschaft, von ästhetischem Bild also und der Blick auf diese wird von Ulrike Feser hier in unterschiedlichen Facetten thematisiert.

Let's dance: So ist in der Videoinstallation „whirling dervish" (2005) ein tanzender Derwisch auf dem Monitor zu sehen. Ganze vier Minuten lang ist diese lebende Tourismusattraktion dort in Aktion, zeitweise nahe der Ekstase, überaus mediengerecht vor unseren Augen tanzend. Wie schon bei der oben beschriebenen Arbeit „ohne Titel" schaut hier aber nicht nur der Betrachter: Immer wieder nämlich blickt der Derwisch zurück, in die Richtung der Kamera und damit scheinbar direkt in unsere Augen. So versucht sich der Tanzende zu versichern, daß sein (klischeehafter) Auftritt beim Publikum auch tatsächlich ankommt. Genau dies macht die Doppeldeutigkeit des Tourismus vor Ort aus:
Einerseits zerstört er „ursprüngliche", traditionelle Lebenszusammenhänge wie diesen kultischen Tanz und macht ihn zur schnöden Ware, andererseits ist er eben dadurch ein lukrativer Wirtschaftszweig, der das finanzielle Überleben für die Betroffenen sichern kann.

Sonne statt Regen: Im Mittelpunkt der überzeugenden Ausstellung schließlich hängen Fotos aus dem ägyptischen Teil der Wüste Sinai, der bis heute sowohl Schauplatz gewalttätiger Auseinandersetzung, aber auch viel besuchter Tourismusort ist. Da ist dann auf dem Bild „Double Bind #3" (2006) z.B. die weite Wüste zu sehen, durchkreuzt von zwei parallel verlaufenden Straßen, davor ein Flugzeughangar. Dank des strengen, fast schon geometrischen Aufbaus der Aufnahme bekommt das Foto eine beinahe zeitlose Schönheit, die dennoch gleichsam distanziert erscheint ­ und trotzdem sehnt man sich irgendwie hin in diese sonnendurchflutete Landschaft, weit weg vom grauen Alltag. Von eben dieser Ambivalenz zeugt die gesamte Serie: „Wüste ist Strand und Kriegsschauplatz zugleich" (Tal Sterngast).

Raimar Stange

> „Double Bind", Ausstellung von Ulrike Feser in der Galerie Kamm, Almstadtstr. 5, 10119 Berlin, noch bis zum 24. Juni, Öffnungszeiten: Di-Sa 11-18 Uhr, Eintritt frei,
www.infogaleriekamm.de

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