Ausgabe 05 - 2006 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Kritische Rekonstruktion eines Staatssekretärs

Das Amt des Senatsbaudirektors sollte erhalten bleiben

Seitdem der Posten des Senatsbaudirektors in Berlin als einer von drei Staatssekretären in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung geschaffen wurde, gibt es eine politische Debatte, wozu der Posten nötig sei und ob ihn sich Berlin leisten kann. Nun scheidet der bisherige Senatsbaudirektor Dr. Hans Stimmann nach den Berliner Wahlen im September aus seinem Amt. In seinem 65. Lebensjahr begibt er sich in den Ruhestand, 15 Jahre Amtsführung liegen hinter ihm. Wer wissen will, wie schwer 15 Jahre in einem der umstrittensten Ämter auf Seele und Geist eines Menschen lasten, dem sei die Lektüre seines im Nicolai Verlag erschienenen Abschiedswerks Die Architektur des Neuen Berlin nahegelegt (s. scheinschlag 4/06).

Schon sind sich die Berliner CDU und FDP einig, der Posten sei abzuschaffen; keine andere Senatsverwaltung habe drei Staatssekretäre, Berlin sei pleite, die Verwaltung habe einen Wasserkopf. Uwe Götze, Berliner CDU-Geschäftsführer, nennt die Berliner Regierung schon aus Reflex einen „Selbstbedienungsladen", und Martin Matz war schon 2003 gegen die Wiederbesetzung der Stelle. „Die große Zeit des Bauens war in den 90er Jahren", erklärte er damals.

Aus einer unsinnigen Ansicht eine politische Zielsetzung werden zu lassen, dazu braucht es in der Berliner FDP freilich nicht viel. Hans Stimmann selbst hat jahrelang erheblich zu der irrwitzigen Annahme beigetragen, Berlin könnte irgendwann einmal „fertig" sein. Noch im April gab er Spiegel Online in einem Interview den Satz mit: „Ich hinterlasse hoffentlich ein Bewußtsein dafür, daß die Stadt nicht alle fünf Minuten neu erfunden werden muß." Sein Vorbild war „die Geschichte" und der historische Grundriß der Stadt ­ ein recht tiefgefrorenes Idealbild, wie es uns manchmal aus kolorierten Postkarten anguckt. Dabei ist das Schöne an Städten im allgemeinen und das Positive an Berlin im speziellen gerade die Dynamik der ewigen Entwicklung, und so können wir uns sicher sein, daß auch nach der Fertigstellung von Lehrter Bahnhof, Galeria Kaufhof und der großen Investorenbaustelle am Holzmarkt das Bauen in Berlin nicht aufhören wird.

Eine kritische Rekonstruktion dieses viel zu lange von einem starrsinnigen Mann besetzten Postens wäre indes wünschenswert. Zu lange wurde hier Machtfülle mit persönlicher, undurchsichtiger Entscheidungsfreiheit verknüpft: „Ich bin doch kein Geschmacksdiktator, bloß weil ich ein ganz gutes Vermögen habe, gute von schlechter Architektur zu unterscheiden." Ein ersatzloses Streichen würde einen weiteren Rückzug der Stadtpolitik aus einem wichtigen Gestaltungsfeld des Zusammenlebens bedeuten. Die Bezirksverwaltungen sind nachweislich nicht in der Lage, eine bezirksübergreifende Planung ohne Befindlichkeiten zu gewährleisten ­ der Standpunkt der Liberalen, die Verwaltungen könnten „näher am Bürger entscheiden" als eine „Mammutbehörde", ist eine realitätsferne Ansicht, die nur die Berliner FDP für bürgernah hält.

Nun hat sich ausgerechnet der Bund Deutscher Architekten Berlin, der jahrelang gegen Hans Stimmann und seine ästhetischen Vorgaben gekämpft hat, für einen Erhalt der Stelle ausgesprochen. Eine Neubesetzung mit einem ausgewiesenen Fachmann wird gefordert, wofür eine öffentliche Ausschreibung notwendig wäre. Geht man den Gedankengang weiter, bedeutet das, eine politisch unabhängige Fachkommission einzusetzen, die über die Neubesetzung der Stelle wacht. Eine Stelle, die dann mit erheblich mehr Entscheidungs- und Machtbefugnissen ausgestattet sein müßte.

Wir suchen also jemanden, der frei von Geschmack und Formalismus der Architektur zur Gestalt hilft im Dienst der Berliner Gesellschaft, der korrupten Individualismus bekämpft mit transparenten, demokratischen Prozessen. Der aber die dadurch legitimierten Entscheidungen unverwässerbar durchboxt gegen die seit jeher bekannten Berliner Widerstände, und der Politiker, Investoren, Anwohner und Architekten vereint oder zumindest an einen Tisch bringt. In der Tat wünschenswert, schon damit wir uns nicht eines Tages Hans Stimmann zurückwünschen müßten. Woher soll ein solcher Heilsbringer aber kommen? Aus den Reihen der Berliner Stadtplaner oder Architekten mit Sicherheit nicht.

Florian Heilmeyer

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
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