Ausgabe 04 - 2006 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Liebesbriefe

Zu „Sind Sie ein Berliner?" in scheinschlag 3/06

Ihr Magazin finde ich immer wieder sehr lesenwert und von kritischer Gutheit. Besonders gefiel mir im Aprilheft der Beitrag „Bratwurst und Massenmord" zum Holocaust-Mahnmal. Ich wüßte übrigens die definitive Lösung: Warum nicht all die lieben Buddy-Bären, die über die Stadt verstreut und einsam-vereinzelt herumstehen, auf die sogenannten Stelen stellen (sie tanzten ja schon einmal einen Sommer nahe der Holocaust-Baustelle ihr Ringelreihen)? Das hätte eine unübertreffliche Wirkung und würde vermutlich monatelang globale Schlagzeilen machen. Die tiefe Betroffenheit über den Massenmord verbinden mit der fröhlichen weltgewandten Offenheit der Berliner (und das sind wir ja alle, noch immer, auch ohne Mauer). So erwüchse aus der Trauer, aus den Grabstelen, neue Hoffnung, ein Zeichen der Verschwisterung, von Künstlern der ganzen Welt liebevoll aufs harte Fell gebannt. Da bräuchten die Touristen keine Bratwürste mehr, sie wären so gebannt von der Wucht der Aussage, da verflöge der Hunger, sie wären sprachlos berührt.

Beste Ostergrüße,

Michael Nungesser

Vielen Dank für das Lob. Was Ihren Vorschlag betrifft, sind wir im Moment etwas gebuddybeutelt: Einerseits könnte so die demnächst drohende Invasion von etwa 140 kunstgewerblichen Plastikbären rund um das Bücherverbrennungsdenkmal auf dem Bebelplatz verhindert werden, wofür Ihnen nicht nur der Kultursenator äußerst dankbar wäre. Andererseits ... hassen Sie Touristen wirklich so sehr?

Unsere Idee war ja eher, diese grusligen folkloristischen Frieden-Freundschaft-Tralalabären allesamt dahin zu verbannen, wo sie hingehören, nämlich nach Sibirien, und das fängt im offiziell-politischen Verständnis praktischerweise bereits in Berlin-Marzahn an. Da steht eh' so viel leer, da stören die dämlichen Kitschkumpel auch nicht mehr. Später könnten sie neben dem Lenindenkmalkopf beerdigt werden, falls sich jemand noch erinnern kann, wo der liegt. Und mal sehen, wer dann protestiert: die Kommunisten ­ oder die andern.

Herzliche Buddygrüße vom scheinschlag

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
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