Ausgabe 04 - 2006 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Gefechtsfeldtourismus

Als die ddp-Meldung am 5. April kam, daß das „geplante Ehrenmal für die im Auslandseinsatz getöteten Bundeswehrsoldaten" nach Vorstellung von Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) noch in diesem Jahr im Berliner Bendler-Block errichtet werden und eine Ausschreibung zur Gestaltung voraussichtlich schon diesen Monat starten soll, machten wir uns sogleich Gedanken darüber, wie dieser wichtige Beitrag zur Verteidigung unseres globalen Wirtschaftsnetzwerks zu leisten sei.

Wie Jung, so lehnt der scheinschlag es ebenfalls ab, ein Denkmal zur Ehrung der 39 in Auslandsgefechten getöteten Soldaten direkt vor dem historisch belasteten Bundestagsgebäude zu errichten. Wir gehen d'accord mit Jungs Vorstellung und wollen das Denkmal im Bendler-Block sehen, dort, wo seinerzeit die Verschwörer um Stauffenberg hingerichtet wurden, wo heute der Widerstand gegen das Nazi-Unrecht fröhliche Urständ' feiert, wo sich der „Berliner Dienstsitz des Verteidigungsministeriums" befindet, der, laut Jung, „wie kaum ein anderer Ort für die Bundeswehr und ihre Geschichte" steht.

Diesen Umstand muß man dem Wehrtätigen-Nachwuchs natürlich immer wieder erklären: daß nämlich die Bundeswehr praktisch seit dem 20. Juli 1944 existiert. Und da die Anregung bzw. „Forderung" eines Mahnmals angeblich aus den Reihen der Bundeswehr selbst kommt bzw. „nach einem Anschlag auf die Bundeswehr Ende vergangenen Jahres in Afghanistan in der Truppe laut geworden" sei, wird nun von Minister Jung nach einem „öffentlich zugänglichem Ehrenmal" Ausschau gehalten. Ob der Bendler-Block auf dem Gelände des Verteidigungsministeriums als öffentlich zugänglich zu bezeichnen ist oder eher als Hochsicherheits-Areal, das wollen wir einmal dahingestellt lassen.

Daß die Diskussion ­ ob nun von Politikern lanciert oder tatsächlich von Afghanistan-Veteranen aufgebracht ­ tatsächlich innerhalb „der Truppe" geführt wird, das beweist ein kurzer Blick in die Internetforen. Bei soldatentreff.de z.B. liest man dazu Stimmen, wie die des Moderators „systemlord", der am 11.12. 2005 schreibt: „50 Jahre nach Gründung der Bundeswehr wird dem Volk die Bedeutung des soldatischen Dienstes immer noch nicht zu Bewußtsein gebracht." Und am Ende seines Beitrages zitiert er ­ als persönlichen Leitspruch ­ Johannes Paul II.: „Wenn man sein Wesen betrachtet, ist der Militärdienst in sich eine sehr ehrenvolle, sehr schöne, sehr edle Sache." Es werden aber auch kritische Beiträge gestattet wie die Anmerkung von „Richard": „Was ist mit denen, die im Inland als Soldaten ihr Leben lassen mußten, nicht zuletzt als Opfer von unmenschlicher Ausbildung?" „DMS" vom Ersatzbataillon 851 wünscht sich „dann auch ein Denkmal für während der Arbeit gestorbene Polizisten oder Feuerwehrleute". Seine Begründung: „Wenn schon, denn schon." Sein persönlicher Leitspruch: „Wo Kampfpanzer sind, ist vorne!" „Engelsschrei" beschäftigt sich endlich mit Gestaltungsfragen: „Das Problem sind die verschiedenen Geschlechter. Ein athletischer Soldat steht leider nicht für eine gefallene Soldatin." „Muelst" ergänzt, daß das amerikanische Vietnamdenkmal „ein super Ding" und das „Hoheitszeichen der Bundeswehr ein optimales Gedenkzeichen" seien und warnt vor einer „Ausartung" zum ironischen „Kunstobjekt" ­ z.B. wenn die „Steinmetze" allzuviel „Gedärm" hervorbrächten. Jugendoffizier Matthias begrüßt „das Eiserne Kreuz als Erkennungszeichen der BW" und untermauert dies damit, daß das EK „in den Befreiungskriegen von Friedrich Wilhelm III. gestiftet" worden und somit „politisch unverfänglich" sei.

Ich will das Befreiungsmärchen für preußische Beamte, die Karlsbader Beschlüsse und daraus sich ergebende heraldische Geschmacksfragen einfach mal verdrängen und unseren Denkmalentwurf beifügen, der eine sehr, sehr nachdenkliche, niedergeschlagene – Völkermord verhindern, im Kongo, am Hindukusch, überall! – deutsche Soldatin zeigt. Zur Überschrift ist noch zu sagen, daß ich sie letzten Monat am Bundeswehrkrankenhaus in der Scharnhorststraße entdeckte, auf der Heckscheibe eines davor geparkten Autos. Cool, dachte ich, so müßte die Denkmalinschrift sein, todesverachtend, sportlich und global!

Jörg Gruneberg

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
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