Ausgabe 03 - 2006 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Aufklärung ungewiß, Fortsetzung folgt

Der Bericht des Untersuchungsausschusses zum Bankenskandal läßt auf sich warten ­ und wenig zu hoffen

Es gibt kein Thema in der Stadt, bei dem es für die Bürger Berlins um so viele Milliarden Euro geht wie bei den Folgen des Bankenskandals. Viele Verantwortliche in der Stadt wissen oder ahnen, daß die Angelegenheit zum Himmel stinkt. Die kritische Öffentlichkeit aber hat sich in einer Mischung aus Ratlosigkeit, Resignation und Ekel weitgehend zurückgezogen.

Die Bürger erfahren zwar, daß 2005 der Vorsteuergewinn der Bankgesellschaft von 119 auf 250 Mio. Euro kletterte, jedoch so gut wie nichts darüber, daß sie zwischen 2000 und heute diesen „Gewinn" bereits mit ca. 5,5 Mrd. Euro teuer bezahlt haben und für „weitere Gewinne" weitere Milliarden nachschießen sollen. Kurz: Der Bankenskandal wird die Berliner Steuerzahler in den nächsten 30 Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit mit weiteren Unsummen belasten. Selbst Finanzsenator Thilo Sarrazin rechnet mit Kosten von 4,7 und 7,2 Mrd. Euro für die Risikoabschirmung des maroden Immobiliendienstleistungsbereichs.

Im Moment richten sich die Augen gespannt auf den Untersuchungsausschuß zum Bankenskandal, der 2001 vom Abgeordnetenhaus eingerichtet wurde. Sein Bericht ist längst überfällig. Der Ausschuß hatte sicherlich viel aufzuarbeiten. Aber inzwischen ist abzusehen, daß er aus politischen Gründen zu keinem befriedigenden Ergebnis kommen wird. Zwar verkündete er, die Endfassung bis Mai 2006 fertigstellen zu wollen, aber die Konflikte über die Abfassung lassen nach den mehrmaligen Verschiebungen (seit März 2005!) daran zweifeln.

Strittig zwischen den Koalitionären SPD und Linkspartei.PDS sind nicht nur Interpretationen zu den Ursachen des Bankenskandals, sondern vor allem die Frage, ob offengelegt werden soll, welche Personen den Skandal zu verantworten haben. Während die Linkspartei.PDS die wahren Verantwortlichen benennen möchte, versucht vor allem der Ausschußvorsitzende, Frank Zimmermann (SPD), das zu verhindern. Nach Informationen aus gut unterrichteten Kreisen setzt die SPD alles daran, die Rolle der in den Bankenskandal tief verwickelten SPD- und Gewerkschaftsmitglieder (Annette Fugmann-Heesing, Norbert Meißner, Dietmar Staffelt, Edzard Reuter, Hartmut Tonndorf, Ernst-Otto Kock, Joachim Friedrich u.a.) zu vertuschen oder in ein günstigeres Licht zu stellen.

Außerdem geht es um die Bewertung der wirtschaftlichen Gesamtentwicklung sowie des Gründungsprozesses der Bankgesellschaft. Selbst der Landesverfassungsgerichtshof hielt es in seinem Urteil vom 22. November 2005 verfassungsrechtlich für höchst zweifelhaft, „gesetzgeberisch Strukturen zuzulassen, die ohne ausreichende Information des Abgeordnetenhauses und ohne Entscheidungsvorbehalt des Parlaments innerhalb weniger Jahre den Landeshaushalt mit Risiken in zweistelliger Milliardenhöhe belasten konnten".

Ein echter Skandal ist nach wie vor, daß der Untersuchungsausschuß bis zuletzt wichtige Unterlagen von der Bankgesellschaft nicht erhalten hat und daß die Volksvertreter sich das gefallen ließen. Als wäre das noch nicht genug, erhält jetzt erst einmal die Bankgesellschaft acht Wochen Zeit, um den Text zu korrigieren, bevor ihn ein anderer Volksvertreter zu Gesicht bekommt. Ein demokratisch fragwürdiges Vorgehen, findet die „Initiative Berliner Bankenskandal" und fordert, den Abschlußbericht, der den Bankern angeblich im März zugeleitet wurde, gleichzeitig allen Abgeordneten und der Öffentlichkeit vorzulegen sowie eine Expertenanhörung anzusetzen.

Während unter der Hand alles getan wird, um die Ungereimtheiten zu vertuschen, versucht der Finanzsenator unverdrossen, eine optimistische Sichtweise hinsichtlich der horrenden Schuldenbelastung des Landes, der Ertragsentwicklung der Bankgesellschaft und der möglichen Einnahmen aus dem Verkauf der Bankgesellschaft zu verbreiten. Er suggeriert vor allem, daß ein Verkauf der Bankgesellschaft zu vernünftigen Konditionen viele Probleme lösen könne. Doch weit gefehlt, denn der Verkauf ­ auch wenn er günstig ausfallen sollte, was allerdings unwahrscheinlich ist ­ ließe das Land und seine Bürger auf mindestens 10 bis 12,5 Mrd. Euro bankgesellschaftsbedingten Belastungen sitzen.

Sarrazin meint, der Deal mit den Zeichnern der sogenannten Sorglosfonds, die mit 1,8 Mrd. Euro abgefunden werden sollen, sei so gut wie perfekt. Die Fondsverwalter würden mehrheitlich empfehlen, die Offerte anzunehmen. Der wahre Stand der Verhandlungen sieht indes anders aus: Wichtige Fondszeichner-Interessenvertretungen haben inzwischen Ablehnung signalisiert. Rechtsanwalt Wolfgang Schirp (Vertreter von 7000 Anlegern mit ca. 460 Mio. Euro Einlagen) teilte mit, daß 90 Prozent seiner Mandanten das Angebot des Senats ausschlagen würden. Sie setzten auf Gerichtsurteile, die ihre Verhandlungsposition für eine zweite Runde stärken würden.

Durch den beabsichtigten Kauf der Mehrheitsanteile an den Fondsgesellschaften durch den Senat von Berlin und den Erwerb der kompletten Immobiliendienstleistungsgeschäfte durch 100-Prozent-Beteiligung an der Immobilien- und Beteiligungen AG (IBAG) wäre das Land im Husarenritt der größte Verwalter von Schulden und Risiken. Kein Abgeordneter überblickt mehr, was das für Folgen hat. So müssen z.B. 30000 Mietverträge weltweit bewältigt und Gewerbeimmobilien (meist Schrottimmobilien) im großen Umfang restauriert werden. Die IBAG meint, daß für die Revitalisierung weitere ca. 0,9 Mrd. Euro benötigt würden. Wo sollen die herkommen?

Der Vertrag für den Erwerb der IBAG liegt jedenfalls dem Abgeordnetenhaus zum Abnicken vor. Er soll auf Basis des IBAG-Geschäftsberichtes 2005 realisiert werden. Der ist bisher jedoch trotz gesetzlicher Publikationspflicht nicht ausgewiesen worden. Die IBAG, die seit Oktober als Berliner Immobilien Holding firmiert, verweist bei solchen Anfragen an den Vorstand der Konzernmutter, also der Bankgesellschaft, Hans-Jörg Vetter, obwohl die IBAG selbst rechenschaftspflichtig ist.

Wenn im September die Abgeordnetenhaus-Wahl ansteht, wird es spannend. Wie werden die Parteistrategen diesen Vorgang weiter behandeln? Der Vorwahlkampf hat begonnen, die Parteien und die Öffentlichkeit werden sich erneut mit dem Bankenskandal auseinandersetzen müssen.

Peter Grottian/Rolf Kreibich/

Hans-Jürgen Lindemann.

Die Verfasser sind Mitglieder der Initiative Berliner Bankenskandal.

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