Ausgabe 03 - 2006 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Ein Minusgeschäft für die Allgemeinheit

Die Diskussion über die Rekommunalisierung der Wasserbetriebe läuft an

Foto: Knut Hildebrandt

Wer schon immer gewußt hat, daß die Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe (BWB) von 1999 ein Fehler war, kann sich nun bestätigt fühlen. Denn die Zahlen geben ihm recht: Zwischen 2003 und 2006 stiegen die Wassergebühren um satte 24 Prozent. Doch als die Entscheidung anstand, wollte niemand auf die Kritiker hören. Die Koalition aus SPD und CDU im Abgeordnetenhaus folgte fast geschlossen Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD), die das Vorhaben als eleganten Weg zur Haushaltssanierung und Senkung der Wasserpreise ausgab.

Doch die Preise werden sogar noch steigen, wie Gerlinde Schermer vom „Donnerstagskreis" der SPD prognostiziert. Wenn es nach den privaten Gesellschaftern RWE und Veolia, die 49,9 Prozent der Anteile halten, gegangen wäre, hätte der Preisanstieg 2004 nicht 15 Prozent, sondern 30 Prozent betragen müssen. Da sich allerdings eine derartige Erhöhung politisch nicht habe durchsetzen lassen, sei für die Jahre 2005 bis 2008 eine Steigerung von jeweils zwei bis drei Prozent vorgesehen, damit man 2009 bei dem erwünschten Preisniveau angelangt sei. Bislang hat sich Schermers Prognose von 2004 bestätigt: 2005 stiegen die Preise um fünf Prozent, 2006 um zwei Prozent.

Auch von einer Entlastung des öffentlichen Haushalts kann man nicht sprechen. Zwar spülte der Vertrag zunächst 1,68 Mrd. Euro in die Landeskasse, doch im Gegenzug wurde den Investoren für 28 Jahre eine Gewinngarantie eingeräumt, die der durchschnittlichen Rendite zehnjähriger deutscher Bundesanleihen der letzten 20 Jahre plus zwei Prozent („r+2") entspricht. Daß das Land seine Vertragspartner so großzügig absichert, wollte die Opposition aus Grünen und PDS indes nicht einsehen und legte erfolgreich Verfassungsbeschwerde ein. Das Landesverfassungsgericht befand die Formel „plus zwei Prozent" als sachlich nicht gerechtfertigt und deshalb verfassungswidrig.

Doch für diesen Fall hatten die Vertragsparteien schon vorgesorgt: Sollte die Formel r+2 vor Gericht keinen Bestand haben, so die Abmachung, sei das Land verpflichtet, den Privaten ihren ausgefallenen Gewinn „in vollem Umfang auszugleichen". Zunächst würde das Land die eigentlich ihm, dem Mehrheitseigner, zustehenden Gewinne abtreten. Dann würde es weitere Mittel aus dem laufenden Haushalt nachschießen, „sofern der abgetretene Gewinnanspruch des Landes Berlin niedriger ist als der auszugleichende Betrag". Mit anderen Worten: Das Land steht dafür ein, daß die beiden privaten Anteilseigner auf jeden Fall ihren versprochenen Gewinn erhalten, auch wenn diese Zusage rechtswidrig ist. In Schermers Worten: „Das klassische Muster: Verluste werden sozialisiert, Gewinne sizilianisiert. Ein Minusgeschäft für die Allgemeinheit. Ein Supergeschäft für RWE und Veolia."

Unter fragwürdigen Umständen segnete das Abgeordnetenhaus den von Fugmann-Heesing ausgehandelten Konsortialvertrag schließlich ab. Erneut meldeten lediglich die Oppositionsparteien Zweifel an. Harald Wolf (PDS) wies in der entsprechenden Parlamentsdebatte 1999 darauf hin, daß die Abgeordneten den Vertrag nicht kennten und die sich aus dem Vertrag ergebenden Folgen nicht abschätzen könnten. Doch Klaus Böger (SPD) sprach der Regierung das volle Vertrauen seiner Fraktion aus, und die Finanzsenatorin drängte. Es blieb Wolf nichts anderes übrig, als resigniert festzustellen, daß eine ernsthafte parlamentarische Befassung wohl nicht vorgesehen sei: „Ich weiß, wir dürfen heute nicht so lange debattieren, weil die Finanzsenatorin um 11.30 Uhr einen Termin zur Vertragsunterzeichnung hat."

Inzwischen reift jedoch das Bewußtsein, daß den Nachteilen durch die Teilprivatisierung der BWB keine Vorteile für das Land gegenüberstehen. Jetzt ist Schadensbegrenzung angesagt. Schermer verlangt, daß der Senat nun wenigstens prüft, ob eine Rekommunalisierung möglich ist. Sie hat eine Rechnung vorgelegt, nach der es für das Land kostengünstiger wäre, die BWB zurückzukaufen als die laufenden Zahlungsverpflichtungen gegenüber RWE und Veolia weiter zu erfüllen. Inzwischen ist es ihr und ihren Freunden vom Donnerstagskreis sogar gelungen, die eigene Partei zur Besinnung zu bringen: Der wirtschaftspolitische Landesparteitag vom letzten November forderte die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus und die sozialdemokratischen Senatoren auf, die Frage der Rückabwicklung bis Ende April zu prüfen und Auskunft zu geben.

Ein Rückkauf der BWB ist allerdings nicht die einzige Option ­ und Alexis Passadakis (attac) zufolge auch nicht die beste. Es sei niemandem geholfen, wenn der Betrieb erneut den hiesigen politischen Eliten unterstellt würde. Ihm schwebe die Demokratisierung der Kontrolle vor. Es müßten Mechanismen geschaffen werden, die Beteiligung der Öffentlichkeit bei allen wichtigen unternehmerischen Entscheidungen zu gewährleisten. Möglich sei zum Beispiel, die Vorstände parallel zu Landtagswahlen durch Wahl bestimmen zu lassen oder nach dem Vorbild des „Bürgerhaushalts" wichtige unternehmerische Entscheidungen einer Abstimmung zu unterwerfen. Wie immer man im einzelnen schließlich verfahre, sei zu erörtern. Aber eine Überführung in die alten Strukturen, die ökologischen, demokratischen und sozialen Ansprüchen nicht genügten, sei uninteressant.

Die Liste der Skandale im Zusammenhang mit der Teilprivatisierung der BWB ist lang: Den Privaten wurden ihre Gewinne auf Kosten der Verbraucher und der Landeskasse garantiert, ein Urteil des Landesverfassungsgerichts wurde umgangen, und die Abgeordneten wurden über die Konsequenzen ihres Handelns im unklaren gelassen. Sieben Jahre nach dem Deal wird sein Scheitern immer offensichtlicher. Ihn rückgängig zu machen, dürfte sich als schwierig erweisen. Doch ein Blick auf andere Städte könnte die Anstrengungen beflügeln. Denn die Nachrichten, die beispielsweise aus London zu vernehmen sind, wo das Leitungsnetz durch Vernachlässigung völlig marode geworden ist und die Versorgungsqualität empfindlich gelitten hat, zeigen, daß es sich lohnt, die Mühen auf sich zu nehmen. Oder will jemand eine Münze in einen Automaten werfen, wenn er die Klospülung betätigt? Auch diese Modelle sind im Gespräch.

Benno Kirsch

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
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