Ausgabe 02 - 2006 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Gefahr erkannt, aber noch nicht gebannt

Die Zukunft des Bethanien bleibt unklar

Acht Monate ist es her, seit es an einem warmen Sommertag hieß: „Mensch Meier, das Bethanien ist wieder besetzt." Nach der gewaltsamen Räumung des Hausprojekts „Yorck59" im Juni vergangenen Jahres suchten sich die ehemaligen Bewohner neuen Wohnraum. Der Südflügel des Künstlerhauses Bethanien – das ehemalige Sozialamt – stand kurzerhand nicht mehr leer. Seitdem ringen die Besetzer und die Initiative Zukunft Bethanien (IZB) mit dem Bezirksamt um einen Nutzungsvertrag.

Diesem Ziel war man schon mal näher: „Es gab seit November mehrere Treffen mit dem Bezirksamt, doch seit einigen Wochen redet die Bezirksbürgermeisterin wieder von polizeilicher Räumung. Verhandlungen finden nicht mehr statt", so die IZB. Bisher habe die Polizei sich geweigert, das Haus zu räumen, solange die juristische Grundlage fehle. Erste Sondierungsgespräche über neue Verhandlungen hätten nichts Neues ergeben. Im Gegenteil, das Bezirksamt versuche weiterhin, eine Räumung per Klage zu erwirken.

Während die Nutzer wiederholt Verhandlungen und Mietzahlungen anboten, erklärte Bezirksbürgermeisterin Cornelia Reinauer (Linkspartei.PDS) gegenüber der Berliner Morgenpost, sie habe einen Mietvertrag vorgelegt, in dem sich die Bewohner bereit erklären sollten, bei Verkauf des Hauses auszuziehen. Ansonsten müsse das Bezirksamt einen Räumungstitel erwirken. Sollte man bis zum 6. Mai nicht unterschreiben, würden zivilrechtliche Schritte eingeleitet.

Gestoppt ist die Privatisierung des Bethanien momentan durch Berlins erstes Bürgerbegehren auf kommunaler Ebene. Rund 5000 Unterschriften von wahlberechtigten Einwohnern muß die IZB innerhalb von sechs Monaten sammeln. Die bisherige Resonanz in der Nachbarschaft ist gut. Aufgrund des Bürgerbegehrens sind die Verhandlungen des Bezirksamtes mit dem bisherigen Investor ausgesetzt.

Schlecht ist die Resonanz jedoch im Künstlerhaus Bethanien, wo man sich mehrfach für die Privatisierung und Schaffung einer „international renommierten Künstlereinrichtung" ausgesprochen hat. Dieses Konzept hatte auch Reinauer bisher befürwortet. Stephanie Tkocz von der IZB dazu: „Es ist kein Zufall, daß durch die Haltung des Bezirks das Bürgerbegehren torpediert wird. Unsere Vision für das Bethanien sieht eben anders aus. Wir wollen kein privatisiertes, etabliertes Künstlerhaus."

Richten soll die Situation jetzt ein Runder Tisch. Gemeinsam mit der IZB, dem Künstlerhaus Bethanien, verschiedenen Nachbarschaftsinitiativen und der Öffentlichkeit, die per Zufallsverfahren vom Bezirksamt angeschrieben und eingeladen worden war, soll bis zum Sommer ein Konzept erarbeitet werden. Von den rund 100 angeschriebenen Kiezbewohnern waren allerdings nur sechs gekommen. Informationen, worüber sie entscheiden sollten, hatten sie nicht bekommen. Das Ganze läuft also Gefahr, zu einer Farce zu werden.

Haidy Damm

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
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