Ausgabe 01 - 2006 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Es gibt keinen Gott, in drei Teufels Namen, hü-hott

Aus Bert Papenfuß wird Bert Papenfuß und Rock'n Roll bleibt Rock'n Roll

Zum Herbst hin werden die Worte gelber, sagte mir einst ein befreundeter Dichter.

Zu einer Tasse Tee ein paar heilsame Verse, ein wenig melancholisches Überschwappen. Blätterrauschen, kahler werden. Geschwärzte Zeilen aus der gefühlten Prohibition. Mordgedanken am Spätverkauf, selbst das limonenfarbene Ich schluckt Antidepressiva. Schmallippigkeit, als Vorbild George, wie er den Pilgerpfad entlanghalluzinierte. Bitte keine Drogen, auch der Rammstein-Sänger ist ein großer dichterer deutscher ... Das große Gähnen streckt sich im Raum. Eine Sprachmitteilung nach der anderen, die niemanden angeht, schwappt aus den Befindlichkeitsbüros des literarischen Marginalismus. Die Dichter, Innenweltkrämer und Landschaftslamentierer! Wenn es novembert, beginnt sie alljährlich, die Suche nach den RilkeKrampfadern im Gegenwartsgedicht. Man schnarcht sich zu Tode bei den allhiero präsenten Rumpelkammermetrikern, man möchte am liebsten nie wieder aufwachen!

Gäbe es da nicht einen Papenfuß, der weder lahmt noch hinkt. Nordostdeutscher Stierbierkämpfer, ein Stück Legende auf dem sonst so flachen Prenzlauer Berg! Bei Papenfuß gibt es kein Erbarmen und Entrinnen. „Es gibt keine Freiheit/für die Feinde der Freiheit. Es gibt keine Freiheit/für die Freunde der Freiheit. Die Freiheit ist eine Schimäre,/schwelgt stets in einer Affäre. Die Freiheit wird nicht kommen,/Freiheit wird sich rausgenommen." Und damit nicht genug: „Es gibt keine Freiheit/in der Diktatur der Bourgeoisie,/Demokratie genannt, Sklaverei ist gemeint. Es gibt keine Freiheit/in der Diktatur des Proletariats,/Sozialismus genannt, bestenfalls Toleranz." So deutlich und unmißverständlich grob politisch prononciert, ist längere Zeit kein Gedicht in Deutschland geschrieben worden, das der bürgerlichen Geschichtsklitterung die Karnevalsmaske (Guter Onkel) vom Gesicht reißt. Papenfuß' Gedichte sind ein Moment politischer Durchdringung, sie geben ihren Spott, d.h. ihre Weisheit in die Runde: Friede den Zechern, Krieg den Wirten!

Seine Dichtung ist ein stärkeres Geräusch, ist noise, nicht das zaghafte Singen in den Volièren des Literaturbetriebs. Seine radikale Ansage gegen den marodierenden Zeitgeist: ein Hohnlachen; sein anarchistisches Sichaufblähen und Dampfablassen: ein gewaltiger Dröhnschiß. Papenfuß bleibt Papenfuß und Rock'n Roll sowieso. Die papenfüßigen Kalauer jedenfalls kommennicht aus Luckau, ihr Witz ist derber, von Meerwind getränkt, Windstärke sieben bis acht.

Und auf alle Unkenrufe („Die Zeit der Worte ist vorbei.") folgt ein Dschunken-versenken, folgt die Revolte ohne Witwe Bolte, folgt der grause Grimm und Schnaps im Bier: „Schlamm-schalamm,/ die Reihen sind gelichtet/schlamm-schalamm,/jetzt wird abgedichtet/... die Zeit der Worte ist vorbei-ei-ei." Der Witze nämlich sei niemals genug, denn zuviel Ernst schadet dem Wurm im Apfel. Man bleibe in seinem Text, soweit die Papenfüße tragen; z.B. den Verfasser in seinen ehemaligen Arbeiterbezirk Friedrichshain (s. oben stehendes Gedicht).

Es gibt nur ein' Bert Papenfuß! Es gibt nicht den Papenfuß. Es gibt immer nur den Papenfuß, den du gerade liest.

Tom Schulz

* Bert Papenfuß: Rumbalotte Continua. Karin Kramer Verlag, Berlin 2005. 10 Euro.
Weitere Rumbalotte-Bände sind im Verlag Peter Engstler und bei Urs Engeler erschienen.

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
Ausgabe 01 - 2006 © scheinschlag 2006